Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
geeinigt haben. Hat Hochstadt Ihnen gesagt, was ich suche?«
Die Raben trugen ihren Revierkampf immer wilder aus; jedes gesprochene Wort – wie auch jeder Gedanke – ging in ihrem Geschrei unter, bis schließlich ein Paar die Flügel ausbreitete und zehn Meter weiterflog, zum nächsten Holzapfelbaum. Raben sollen sehr kluge Tiere sein. Warum waren sie nicht längst auf diese Lösung gekommen?
»Noch mal, bitte«, sagte Avery.
Ich wiederholte die Frage und richtete das Handy auf ihn aus, denn ich wollte, dass seine Antwort deutlich zu verstehen war.
»Er hat gesagt, Sie wollen zwei Millionen.« Klar und deutlich.
»Nur, dass ich inzwischen die Dateien habe.«
»Ich wusste, dass es mit Ihnen Schwierigkeiten geben würde.«
»Es gibt keine Schwierigkeiten mit mir, Jack, ich bin Ihr bester Freund. Ich will lediglich einen angemessenen Gegenwert für das, was ich zu bieten habe.«
Er starrte mich finster an. Ich hielt dem Blick stand. Schließlich zuckte er die Achseln.
»Ich bin befugt, bis drei zu gehen. Wollen Sie mehr? Ich glaube nicht, dass daraus was wird, aber ich kann die Nachricht übermitteln.«
»Sie sind viel mehr wert. Ich kann zur Polizei gehen.«
Er setzte ein spöttisches Grinsen auf. »Ach ja? Was zahlen die? Hören Sie, darf ich Ihnen einen Rat geben?« Er legte mir eine Hand auf die Schulter. Wir waren Kumpel. »Werden Sie nicht zu gierig. Das ganze Ding läuft nur – und wird nur weiter laufen –, wenn alle, die dabei sind, sich zu benehmen wissen. Das ist für die Jungspunde manchmal schwer zu verstehen. Manch einen muss ich in seinen Erwartungen deutlich bremsen.«
»War es das, was Sanders passiert ist? Haben Sie ihn in seinen Erwartungen gebremst?«
»Was glauben Sie eigentlich, was Sie wissen?« Sein Ton wurde gereizt. »Was auch immer es ist, vergessen Sie’s. Das Leben ist auch so schon kurz genug. Verstanden?« Die Waffe ruckte in meine Richtung.
»Durch Sanders bin ich überhaupt erst darauf gekommen. Seinetwegen bin ich engagiert worden.« Er sollte sich wieder entspannen und vor allem weiterreden.
Avery überlegte einen Augenblick. Offenbar kam er zu dem Schluss, dass wir trotz allem Kumpel waren. »Der Kerlwar verrückt. Dachte, er muss den Whistleblower spielen. Die Leute von der Börsenaufsicht haben sich bei mir gemeldet, nachdem er bei ihnen war.« Er lachte ein grollendes Lachen; es klang wie der Motor eines Müllwagens, wenn er an einem Wintermorgen angelassen wird. »Sie haben den Singvogel verpfiffen.«
Und sie hatten Sanders umgebracht. Nicht vor dem Gesetz natürlich, aber deswegen war er nicht weniger tot. Ungeschickte, dumme Bürokratie war für ihn zur Falle geworden. Avery hatte nur das Grobe erledigt.
»Und Sie sind in dieser Sache nie befragt worden?«
»Diesen laschen Umgang mit Kontrolle muss man lieben. Soll die Wall Street sich doch selbst regulieren, oder? Diese Leute glauben, sie leben in einem Roman von Ayn Rand – nichts geht über Freiheit und Eigentum. Lasst den Markt regieren! Es ist ein verdammter Witz.«
»Aber Sie waren zu der Zeit schon an der Sache dran, richtig? Sie haben gleich erkannt, was lief.« Es war ein Gefühl, als würde ich einen Löwen tätscheln.
Sein Ego war so überdimensional wie sein Brustkorb. »Gleich in meinem ersten Monat. Ich hatte meine Sekretärin beauftragt, die Abschlüsse der ganzen Firma auf illegale preisspekulative Pair-offs hin zu prüfen. Es war nur so ein Herumstochern, ich hatte keine Ahnung, was dabei herauskommen würde. Diesen Kerl, der die Abteilung Unternehmensanleihen leitet, haben Sie kennengelernt, oder? Der wird manchmal schlampig – seine Trades sind mir aufgefallen. Ich habe ihn mir zur Brust genommen, bis er kurz davor war zu weinen. Hat mir was von seinen zwei Töchtern erzählt, die am College sind, und lauter Zeug, das mich einen feuchten Dreck interessiert.«
»Aber Sie haben von ihm die Namen derer gekriegt, die das Ganze steuern.«
»Es ist ein einziger Mann, der die Entscheidungen trifft.«
»Wann komme ich mit ihm zusammen?«
»Wenn er es sagt.« Wie jeder Lakai wachte er eifersüchtig über seinen Zugang zur Macht. »Fangen Sie nicht an zu drängeln. Wenn Sie ungeduldig werden, machen Sie die Leute nervös.«
Jetzt fühlte er sich zu wohl. Ich erfuhr nichts mehr.
»Habe ich Hochstadt nervös gemacht?«
Es flackerte in seinen Augen, und wieder ruckte die Waffe in meine Richtung. »Allmählich werde ich sauer, Stafford. Keine weiteren Fragen! Halten Sie den Mund, geben Sie
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