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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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ob sie die Pflückerinnen würden bezahlen können und die Mitarbeiter der Faktorei oder ob es überhaupt lohnte, den Tee zu pflücken, wenn die Preise weiterhin so verfielen – daran wollte sie lieber nicht denken.
    Während ihres Aufenthalts in Nairobi hatte Fanny das Haus auf den Kopf gestellt. Zusammen mit Mary und den Boys hatte sie alles geputzt, entstaubt, alles geschrubbt, die Decken und Kissen gewaschen, sämtliche Teppiche ausgeklopft und die Dielenbretter gebohnert. Alte, undichte Fensterrahmen waren repariert worden, und in der Küche gab es einen richtigen Abzug. Das Haus strahlte in neuem Glanz, und Fanny schien vollends in dieser Aufgabe aufzugehen.
    «Was ist mit dir los?», fragte Audrey bei der ersten Gelegenheit, als sie allein waren.
    «Nichts ist los. Ich dachte, ich mach mich mal nützlich.» Etwas Zögerliches lag in Fannys Worten.
    Sie saßen im Wohnzimmer und reinigten die Jagdgewehre, denn Fanny hatte festgestellt, dass sie inzwischen im Haus alles geputzt hatte – nur die Gewehre nicht.
    «Fanny, du hast doch nicht etwa Angst, wir könnten dich fortschicken?»
    Fanny wischte mit dem Lappen über den Lauf des Gewehrs, das sie gerade fertig zusammengesetzt hatte. «Wenn ihr das nächste Mal auf die Jagd geht, nehmt mich bitte mit. Ich will auch einen Büffel schießen oder zwei.»
    «Das machen wir bestimmt.» Bisher hatte Fanny sich nicht viel aus der Jagd gemacht. Eine Beschäftigung für die Männer, der sie nicht so viel Bedeutung beimaß.
    «Wir schicken dich nicht fort. Du bist meine Freundin, du gehörst nach The Brashy. Hast du verstanden, Fanny?»
    Dass ihre Freundin in Tränen ausbrach, war für Audrey so überraschend und so völlig untypisch für Fanny, die sonst immer so fröhlich war, dass sie erschrocken den Lappen sinken ließ. «Aber Fanny …»
    «Ich hab doch sonst niemanden!», heulte Fanny. «Und wenn ich mich gehen lasse und so gar nicht nützlich bin, wie kannst du mich dann durchfüttern wollen? Ich dachte … Herrje, ich dachte, ich mach doch alles falsch! Ich hab nichts gelernt, und dann hab ich mich in die falschen Männer verliebt, immer wieder, und nie kam etwas Gutes dabei heraus für mich oder für die Männer. Audrey, ich weiß doch nicht, wohin!»
    «Ach, Liebes!» Audrey umarmte Fanny. «Hör auf, so was zu denken. Du bist mehr als nur meine Freundin. Für mich bist du wie eine Schwester. Hätte ich dir sonst Thomas anvertraut, während ich in Nairobi war? Ich will also nie wieder hören, dass du wertlos bist, hast du verstanden?»
    Fanny nickte. «Ist gut», flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
    «Und jetzt hör auf zu weinen. Komm, ich mach das hier alleine fertig, setz du dich nur hin und entspann dich.»
    Fanny nickte. Sie stand auf, putzte sich die Nase und ging zum Sofa. Dort blieb sie stehen, zwischen Sofa und Regal. «Ich hab während deiner Abwesenheit an den langen Abenden angefangen zu lesen», sagte sie leise. «Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich deine Bücher nehme.»
    «Nein, bedien dich ruhig.» Audrey saß mit dem Rücken zum Wohnzimmer, der hohe Durchgang zwischen den beiden Räumen war offen und hell. «Nimm dir eins, wenn du magst. Ich liebe ja alle Bücher, besonders Dickens.»
    Sie erstarrte. Drehte sich halb zu Fanny um, die mit dem Rücken zu Audrey vor dem Bücherregal stand. Ihre Finger wanderten über die Buchrücken.
    «Oder nimm den Housman, die Gedichte», fügte sie hastig hinzu. «Die hat mir Alva Lindström geschenkt. Erinnerst du dich noch an sie?»
    Nimm den David Copperfield, meinetwegen Oliver Twist, dachte Audrey verzweifelt. Nimm bloß nicht Große Erwartungen …
    Zu spät. Sie wusste, dass Fanny ihr Lieblingsbuch aus dem Regal zog, ehe Fanny über den staubigen Buchrücken blies und rief: «Ich nehm das hier. Du sagst doch immer, es wäre dein Lieblingsbuch.»
    «Hmhm!», machte Audrey. Sie hörte das papierne Rascheln, dann fiel etwas zu Boden. Sie glaubte sogar zu hören, wie Fanny sich bückte.
    In all den Jahren hatte sie keinen Gedanken mehr an den Brief verschwendet. Sie hatte ihn vergessen, und das Buch ebenso. Die Zeit war begrenzt, und Matthew hatte ihr zweimal im Jahr eine Bücherkiste aus Europa schicken lassen, weshalb es auf ein Buch nicht ankam.
    «Ich glaube, der gehört dir.»
    Fanny war unbemerkt hinter Audrey getreten. Sie legte den Briefumschlag auf den Tisch neben die einzelnen Teile der Winchester, die Audrey gerade fachmännisch auseinandergenommen hatte.
    Ihre Handschrift,

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