Am Fuß des träumenden Berges
geneigt und verschnörkelt.
Für Matthew
stand auf dem Umschlag. Die Tinte war verblasst, das Papier vergilbt. Die Zeit hatte diesem Brief ihren Stempel aufgedrückt.
«Oh ja. Danke.»
Hastig stopfte Audrey den Brief in ihre Schürzentasche. Sie setzte die letzten Teile des Jagdgewehrs zusammen und legte es zu den drei anderen, die sie an diesem Tag gereinigt hatten.
Fanny sagte nichts. Und auch Audrey schwieg.
Ich kann ja nicht sagen, dass dieser Brief die Wahrheit über mich enthält. Dass Matthew mich nie geheiratet hätte, wenn er davon wüsste.
Er hatte sie nie geheiratet.
Das fiel ihr wieder ein, und es schmerzte. Fünf Jahre lang hatte sie mit ihm zusammengelebt, und nie hatte es sie gestört, weil die Liebe ihnen immer genügt hatte. Und jetzt erinnerte ein alter Brief sie daran, dass es gute Gründe gab, sie nicht zu heiraten.
Audrey wusste, dass Matthew ihren Glauben an Gott und Konventionen manchmal als Last empfand. Als er sie im Zimmer des Muthaigaclubs daran erinnert hatte, dass sie noch immer nicht verheiratet waren, hatte sie gespürt, wie dieser Gedanke sich in sie bohrte. Er hatte Wurzeln geschlagen und wuchs, und an diesem Abend trug er endlich Früchte, und sie hielt es nicht länger aus.
«Wir sollten heiraten», platzte sie heraus.
Sie waren zu dritt am Tisch: Fanny, Matthew und sie. Fanny hob den Blick. Ihre Augenbrauen wanderten hoch, und sie schaute von Matthew zu Audrey, als könne sie nicht glauben, dass sie gerade tatsächlich Zeugin dieses Gesprächs wurde.
Matthew legte bedächtig Messer und Gabel auf seinen Teller. «Das war sehr gut, Kamau», bedankte er sich bei dem Hausboy. «Richte der Küche meinen Dank aus. Der Koch weiß, wie man in kargen Zeiten improvisiert.»
Audrey wusste, dass er sie nicht provozieren wollte. Er versuchte einfach, dem Thema die Sprengkraft zu nehmen.
Kamau verschwand mit den Tellern und Schüsseln. Matthew lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Seit er aus dem Süden Britisch-Ostafrikas zurück war, rauchte er wieder regelmäßig nach den Mahlzeiten oder zwischendurch. Sie vermutete, dass es ihn entspannte, aber der Gestank störte sie, und der Rauch kitzelte in ihrem Hals. Wie es dann wohl erst für ihn war, wenn er das Zeug einatmete?
Sie wedelte demonstrativ mit der Hand, um den Zigarettenrauch zu vertreiben.
«Ihr seid nicht verheiratet?», fragte Fanny. Sie klang entsetzt. Ausgerechnet Fanny, die sich nie um Konventionen scherte. Die nie geheiratet hatte und es bestimmt nicht noch tun würde, wenn sie weiter auf The Brashy hockte und sich von ihnen aushalten ließ.
Audrey atmete tief durch.
«Es gab da ein paar Schwierigkeiten.» Matthew lächelte entschuldigend. «Aber das lässt sich schnell aus dem Weg schaffen. Wir lassen einfach einen Priester aus Nyeri kommen. Vielleicht sollten wir noch einmal versuchen, unsere Kikuyu zu missionieren?»
Audrey lachte auf. «Missionieren und heiraten, das wird den Priester aber freuen. Da hat er hier eine Menge zu tun.»
«Ich verstehe nicht, warum du so gereizt bist, Liebes.» Matthew beugte sich vor und legte seine Hand auf ihre. Sie schaute weg.
Sie fühlte sich dumm und unfähig. Alles machte sie kaputt. Alles zerbrach in ihren Händen …
«Lass uns später darüber reden, ja?»
Sie nickte und schluckte die Tränen herunter. Ihre Hand fuhr in die Schürzentasche, sie spürte darin den Briefumschlag.
Wenn ich wirklich ehrlich sein wollte mit ihm, müsste er den Brief vor unserer Hochzeit lesen. Er soll frei entscheiden können.
Aber sie wagte es nicht.
Sie fürchtete die Folgen. Schon einmal hatte sie erlebt, was der Schmerz mit ihm anrichtete.
Am darauffolgenden Abend saß Matthew im Arbeitszimmer. Er schrieb einen Brief an die Kirche von Nyeri und bat, einen Missionar nach The Brashy zu schicken. Er hoffte, so schrieb er, dass er den Kikuyu, die auf seinem Land lebten, das Wort Gottes nahebringen würde.
Er vermutete insgeheim, dass die Kikuyu das Wort Gottes gar nicht hören wollten.
Für Audrey hätte er aber alles getan, und sie wünschte sich einen Priester. Sie brauchte Trost, mehr als er selbst. Er bewunderte ihre Stärke, ihre unerschütterliche Kraft, mit der sie den Tod ihres gemeinsamen Sohns gemeistert hatte. Er hatte gestandene Männer gesehen, die den Tod eines Kameraden nicht so gut verkrafteten wie seine Frau den Tod des eigenen Kinds.
Noch ist sie nicht meine Frau, dachte er. Obwohl auch das Unsinn war – sie mochten weder vor Gott noch vor
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