Am Fuß des träumenden Berges
größer und freudiger die Überraschung, dass sie jetzt da waren.
«Entschuldigen Sie, wir hätten vorher schreiben sollen.» Benedict sprang aus dem Sattel und half seiner Schwester, die unwillig schnaubte und seine ausgestreckten Hände ignorierte. Die Art, wie Benedict die Arme sinken ließ – resigniert und fast enttäuscht –, erstaunte Audrey.
«Aber der Brief wäre wahrscheinlich nicht vor uns hier angekommen, und wir fanden, das ist Verschwendung. Außerdem musste ich Ihnen sofort die Bücher bringen.»
«Die Bücher?»
«Ihr Mann hat sie in Europa bestellt. In Nairobi nennen sie ihn jetzt nur noch den Koller-Winston, der seiner jungen Ehefrau telegraphisch fünfzig Bücher bestellt. Allein das hat ein Vermögen gekostet!»
Audrey schüttelte etwas verwirrt den Kopf. Als Matthew sie gebeten hatte, eine Liste aller Bücher zu schreiben, die sie gerne haben wollte, hatte sie nicht damit gerechnet, sie alle zu bekommen. Zwei oder drei wären für den Anfang schön gewesen, fünf mehr, als sie erwartet hätte. Aber fünfzig Bücher?
Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, und sie musste sich schnell abwenden, damit Benedict und Babette es nicht sahen. Babette legte den Arm um ihre Schulter. «Ach je, hab ich was Falsches gesagt?»
Audrey schüttelte heftig den Kopf. Nein, vermutlich war es genau das Richtige. Was ihre Tränen nur noch schneller fließen ließ.
«Wie lang können Sie bleiben, Miss Tuttlington?», fragte sie.
«Erstens heiße ich Babette», antwortete die blonde Schönheit fest. «Und mein Bruder, der immer so streng tut, heißt Benedict. Merk dir das, meine Liebe. Und wir bleiben natürlich so lange, wie du uns hier haben willst. Wir müssen nirgends hin.»
Sie erfuhr später, dass Babette das nicht nur so dahergesagt hatte. Die Zwillinge mussten tatsächlich keinen Verpflichtungen nachgehen. Ihrem Vater gehörte eine der größten Kaffeeplantagen des Landes, er bebaute Zehntausende Morgen und war der reichste Mann in Ostafrika. Auch er brauchte nicht zu arbeiten, weil er fähige Vorarbeiter hatte, erzählte Babette. «Aber er lässt es sich nicht nehmen. Unsere Mutter ist die meiste Zeit des Jahres auf Reisen. Sie findet Afrika unausstehlich. Kann man sich das vorstellen?»
«Es hat schon einen ganz speziellen Charme», bemerkte Benedict.
«Dein Mann ist verrückt», stellte Babette fest. Sie hatten sich nach dem Mittagessen in das kleine Wohnzimmer zurückgezogen. Benedict warf die Sofakissen auf den Boden, und sie machten es sich um die Holzkiste mit den Bücherschätzen bequem. Babette winkte Kamau, dass er ihnen Wein nachschenkte, und sie trank einen großen Schluck. «Nun mach schon auf, ich will sehen, was ich dir sofort abschwatzen muss.»
Benedict half Audrey, die massiven Holzkisten aufzuhebeln. Unter einem raschelnden Berg Holzwolle lagen die Schätze verborgen, jedes Buch einzeln in mehrere Schichten Seidenpapier eingeschlagen. Trotzdem stieg ein muffiger Geruch nach Salz und Meer aus der Kiste.
«Das kommt von der langen Überfahrt», bemerkte Babette und rümpfte die Nase. «Du wirst bald feststellen, dass sogar die Kleider, die du dir aus Europa kommen lässt, nach dem dreckigen Hafen von Marseille stinken, als hätten sie dort erst wochenlang in einer Spelunke gelegen, um danach auf einem Schiffskutter eine Hafenrundfahrt zu machen.»
Audrey wollte gerade sagen, dass ihr das egal war – und das stimmte auch, es war ihr egal, Hauptsache, sie hatte endlich mehr zu lesen –, doch genau in diesem Moment stieg die Übelkeit mit solcher Macht in ihr auf, dass sie hilflos nach links und rechts schaute in der Hoffnung, ein Behältnis zu finden, in das sie sich übergeben konnte.
Sie wandte sich ab, nahm die Champagnerflasche aus dem Sektkühler und übergab sich hinein.
Babette streichelte mitfühlend ihren Rücken. «Geht’s wieder?», fragte sie besorgt.
Erstaunlicherweise fühlte Audrey sich sofort besser, und sie verspürte sogar Hunger. Kamau nahm ihr den Sektkühler ab, um ihn zu entleeren – zum ersten Mal war sie richtig dankbar, dass er immer zur Stelle war.
«Möchtest du an die frische Luft?»
«Nein, es geht schon.» Sie lachte etwas zittrig. «Meinst du denn, ich lasse dich mit den Büchern allein? Dass du die schönsten gleich wegschnappst?»
Die nächsten Stunden waren wie ein Weihnachtsfest für Audrey. Sie packte Bücher aus, die sie vor langer Zeit gelesen hatte, und andere, von denen sie bisher nur gehört hatte, die
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