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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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zu.
    Es ist etwas spartanisch hier, aber wir haben es gut. Tante Rose und Onkel Reggie lassen grüßen. Stellt euch vor, er hat seinen Meister gefunden! Vorige Woche wollte er auf Löwenjagd gehen – denn die Schwarzen haben Ärger mit einem Löwen, der ihre Hütten ständig umschleicht, wie sie behaupten –, und er hat angeboten, sich des Problems anzunehmen.
    Er wies den Boy an, ihn um vier zu wecken. Doch das war nicht früh genug – der Löwe hatte sich mit seinem Rudel tief in die Savanne zurückgezogen. Also wollte Onkel Reggie am nächsten Morgen noch früher geweckt werden. Um zwei Uhr nachts stand der Junge in seinem Schlafzimmer, eine Lampe in der Hand und ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. «Jetzt ist es sehr früh», sagte er. Womit er zweifellos recht hatte. Onkel Reggie stand auch gehorsam auf und ging auf die Jagd, doch seither ist er mit dem, was er sagt, vorsichtig geworden.
    Den Löwen hat er bis heute nicht erwischt.
    Leider werden die beiden schon nächsten Monat abreisen, und dann wird es einsam hier draußen. Außer Matthew ist hier kaum jemand, mit dem ich reden kann. In Nairobi habe ich ein Geschwisterpaar kennengelernt. Babette und Benedict Tuttlington. Ich glaube, ich werde sie zu uns auf die Farm einladen. Man muss nehmen, was man kriegen kann.
    Sie zögerte. Dann strich sie den letzten Satz.
    Matthew hatte sie genommen, weil sie ihn kriegen konnte.
    Grüßt alle recht lieb von mir – und gebt Alfred einen Kuss!
    Eure Tochter Audrey
    Sie seufzte. Schwer vorstellbar, dass die Mutter Alfred einen Kuss gab oder dass der Vater andere von ihr grüßte. Sie hatte das Gefühl, an eine Vergangenheit zu schreiben. Und diese Vergangenheit hatte sie bereits vergessen.

[zur Inhaltsübersicht]
15 . Kapitel
    An einem trüben Oktobermorgen, an dem die Sonne nur zögerlich aus dem Hochnebel aufstieg, saß Audrey allein auf der Veranda und las zum zwölften Mal seit sechs Wochen das erste Kapitel ihres Dickens.
    Sie ließ das Buch sinken und seufzte. Kamau stand neben der Tür, die Hände vor dem Bauch verschränkt, und wartete auf ihre Befehle. Sie hatte sich anfangs nur schwer daran gewöhnen können, dass alles, was sie tat, ihr immer sofort aus der Hand genommen wurde, aber er empfand es als Beleidigung, wenn sie sich nur selbst eine Tasse Tee eingoss.
    «Kamau?»
    Er trat einen Schritt vor.
    «Ja, Memsahib?»
    «Du kannst jetzt das Frühstück bringen.»
    Er nickte und verschwand auf leisen Sohlen im Hausinnern. Sie hörte seine Schritte. Erschöpft legte sie das Buch beiseite und schloss die Augen
    Morgens hatte sie keinen Appetit. Im Laufe des Tages wurde sie von Hungerattacken hinterrücks überfallen, bei denen sie die Küche plünderte, bis der Koch zeterte und ihr mit dem Kochlöffel drohte, weil sie für das Abendessen nichts mehr ließ. Vorgestern hatte sie sich in den Anbau geschlichen und drei Eier in die Pfanne gehauen, die für den Nachtisch reserviert waren.
    Sie hoffte, es würde gleich keine Eier geben. Ihr war viel zu übel, um Eier zu essen.
    Zum Glück brachte Kamau ihr leichten Oolong und Haferbrötchen mit gesalzener Butter und Mandarinenmarmelade. Sie aß mit großem Appetit, während Kamau sich wieder neben die Tür stellte. Wie eine Statue.
    «Kamau, täuschen mich meine Augen?» Sie legte das angebissene Brötchen auf den Teller.
    «Ich weiß nicht, was Sie sehen, Memsahib. Ich sehe zwei Reiter und zwei Packpferde.»
    Die Besucher kamen rasch näher, und Audrey erkannte Babettes klares Gesicht unter der schmutzigen Hutkrempe, die Wangen gerötet, die Augen fröhlich blitzend. Neben ihr ritt Benedict Tuttlington, gerade so, als sei es das Normalste auf der Welt, dass sie hier draußen zum Frühstück vorbeischauten.
    Nur dass es für die beiden eine mehrtägige Reise von Nairobi hinauf nach The Brashy bedeutete.
    Audrey stand auf. Sie trat an den Rand der Veranda. «Lass noch mehr Tee und Brötchen bringen, Kamau.»
    «Ja, Memsahib.»
    Sobald Babette weit genug heran war, riss sie sich überschwänglich den Hut vom Kopf. «Wir sind da!», rief sie. «Schau, wir haben dir sogar was mitgebracht.»
    Stolz zeigte sie auf die Packpferde. Audrey lächelte, sie hatte keine Ahnung, was in den Kisten sein konnte.
    Sie hatte das Zwillingspaar schon vor sechs Wochen eingeladen, Matthew und sie auf The Brashy zu besuchen, doch sie hatte auf ihren Brief keine Antwort bekommen und daher angenommen, dass die Tuttlingtons wohl doch nichts mit ihnen zu tun haben wollten. Umso

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