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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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einem Kikuyu hingezogen fühlte! Einem Mann, den sie nicht kannte, den sie schon gar nicht begriff! Trotzdem schlug ihr Herz jedes Mal wild, wenn sie ihn sah. Chris, der bisher brav an Fannys Hand gelaufen war, riss sich los und lief Kinyua entgegen, der ihn hochhob und durch die Luft wirbelte. Kind und Mann lachten ausgelassen, und Audrey schloss kurz die Augen. So soll es sein, dachte sie. So sollen Vater und Sohn miteinander umgehen. Der Vater gehört nicht in den Krieg.
    Kaprizierte sie ihre Gefühle nur auf Kinyua, weil er da war? Weil Matthew so weit fort war, dass sie ihn gar nicht mehr spürte? Manchmal kam es ihr vor, als wäre sie schon allein auf dieser Welt. Außer Fanny, Kinyua und Mukami hatte sie niemanden.
    Und die beiden Letzten zählten nicht. Sie waren Kikuyu.
    Dass Fanny doch nicht vergessen hatte, was Audrey gesagt hatte, musste sie feststellen, als sie sich auf den Rückweg machten. Wie immer war die Runde über die Plantage für Chris anstrengend gewesen, und Audrey trug ihn das letzte Stück. Thomas hatten sie im Haus zurückgelassen. Mary kümmerte sich um ihn.
    «Der Vorarbeiter, Audrey? Du meinst aber nicht
ihn

    Fanny klang so entsetzt, dass Audrey den Kopf schüttelte. «Herrje, natürlich nicht. Was denkst du denn von mir?»
    «Ich denke», sagte ihre Freundin langsam und bückte sich, um ein Zweiglein wilden Thymian zu pflücken, «dass du sehr einsam bist. Höchste Zeit, dass ich wieder Leben nach The Brashy bringe.»
    Audrey schwieg dazu. Fanny hatte natürlich recht. Und in ihrer Stimme glomm wieder diese Leidenschaft auf.
    «Ich werde schon dafür sorgen, dass uns hier nicht die Decke auf den Kopf fällt.» Fanny hakte sich bei ihr unter. «Versprochen.»
    Und sie hielt Wort. Später sollte Audrey sich fragen, wie Fanny das geschafft hatte. Sie war in Nairobi genauso geächtet wie Audrey, niemand wollte mit ihnen etwas zu schaffen haben, solange der Krieg dauerte. Jeder begegnete ihnen mit Misstrauen. Und trotzdem gelang es Fanny, irgendwie. Schon eine Woche später verkündete sie, eine Gruppe unternehmenslustiger Freunde sei unterwegs nach The Brashy – unter ihnen auch Babette, die es in Nairobi nicht mehr aushielt.
    «Da haben wir ja die Richtige», meinte Audrey säuerlich. Sie hatte nicht vergessen, wie eifersüchtig Babette über ihren Bruder wachte.
    «Ihr geht’s mindestens so mies wie mir», erwiderte Fanny nur. «Ich finde, wir Frauen sollten in schlechten Zeiten zusammenhalten.»
    So kam Babette wieder nach The Brashy. Sie kam mit vier Freunden, drei Männern und einer Frau, die Audrey allesamt nicht kannte. Und schon am ersten Abend bereute sie, das Haus voller Gäste zu haben. Die Männer waren laut und vulgär. Sie brüsteten sich mit ihren Kriegstaten, obwohl sie kaum länger als zwei Wochen in Tanganjika gewesen waren, ehe jeder von ihnen eine «schreckliche Verletzung» oder eine «fiebrige Erkrankung» erlitt und «schweren Herzens» heimkehren musste. Sie taten, als sei es allein ihr Fehlen an der Front, das zum Stillstand führte und dazu, dass die Briten Prügel bezogen.
    Babette und die andere Frau – eine Cousine der neuen Mrs. Tuttlington, wie Fanny ihr erzählte – waren laut und tranken zu viel Alkohol. Sie schrien, statt zu lachen, sie rauchten und schliefen bis weit in den Tag hinein, weil sie einen Brummschädel hatten. Erst abends wurden sie wieder munter und flirteten so schamlos mit den Männern, dass Audrey es nicht verwundert hätte, wenn in den eher beengten Gästequartieren nachts ein stetes «Bäumchen wechsle dich» ging und die Frauen in ihren Zimmern Besuch empfingen. Schon am zweiten Abend bereute sie ihre Einladung.
    Sie saßen zu siebt beim Dinner: Fanny und Babette, Ella und Audrey, die drei Männer Rick, Steve und Dan. Rick hatte in Oxford studiert – wie er nicht müde wurde zu betonen –, und Steve konnte gar nicht oft genug die Geschichte erzählen, wie er in London dem Premierminister über den Weg gelaufen war. Allein Dan war schweigsamer, und Audrey hätte ihn vielleicht gemocht, wenn er nicht in dieser Gruppe nach The Brashy gekommen wäre.
    Ella mäkelte am Essen herum, und Babette stimmte in die Litanei ein. Fanny machte einen Scherz, und die Männer lachten beifällig. Audrey biss die Zähne zusammen. Sie beherrschte sich nur mühsam. Am liebsten hätte sie alle zurechtgewiesen, jeden Einzelnen.
    Das Fass zum Überlaufen brachte aber Steve. Erst ließ er sich drei verschiedene Weine aus dem schnell schrumpfenden

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