Am Fuß des träumenden Berges
bei ihren Festen berauschten, schien der Wein in ihren Adern zu tanzen.
Sie blieb erst stehen, als sie den Rand des Dorfs erreichte. In der Mitte standen alle Dorfbewohner auf dem Platz in Kreisen – außen die Zuschauer, innen die Tanzenden.
«Was ist das?», fragte Dan. Er stand neben ihr und keuchte. Audrey sah ihn von der Seite an. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Waren sie gerannt?
«Ein Ngoma», sagte sie, als sei damit alles geklärt.
Sie hatte Kinyua entdeckt. Er stand in der Mitte der Kreise, zwischen den jungen Leuten, er hielt einen Stab in der Hand und hüpfte auf und ab. Und dann machte er den Mund auf, und sie glaubte, dass der Schrei, der sich dem Himmel entgegenhob, nur von ihm kommen konnte. Sie sah nur noch ihn. Dans Hand lag auf ihrem Arm. Er versuchte, sie wegzuziehen, als fürchtete er, die Kikuyu könnten sich im nächsten Augenblick auf sie stürzen.
Audrey machte sich von ihm los. Sie wusste, diese Menschen, diese wunderbaren Leute, die mit ihr diese Einsamkeit am Fuß des Mount Kenya teilten, waren sich ihrer Gegenwart gar nicht bewusst. Sie spürte das Blut in den Ohren rauschen. Ein wildes Pochen in ihren Schläfen, ihrer Brust und im Bauch, das von den Trommeln erzeugt wurde und ein Summen aufsteigen ließ, das sie nicht länger zurückdrängen konnte.
Schweiß glänzte auf den nackten Körpern. Audrey beobachtete die Tanzenden und glaubte, auch erfasst zu werden von diesem Gefühl der Leere. Es erfüllte sie so vollständig, dass sie einen Schritt vormachte, und hätte Dan sie nicht zurückgehalten, wäre sie auf den Platz getreten und hätte begonnen, mit den Kikuyu zu tanzen.
Er zog sie zurück in den Schatten. Die Fackeln rund um den Dorfplatz schickten ihren goldenen Schein bis an die Baumgrenze, und als sie sich zu Dan umdrehte und er sie anlächelte, hob sie sich auf die Zehenspitzen und drückte die Lippen auf seinen Mund.
Er packte ihre Arme, schob sie sanft von sich weg und betrachtete sie prüfend. «Audrey», sagte er leise.
«Bitte», flüsterte sie. Diese Sehnsucht, die in ihrem Unterleib entfacht war, ließ sie aufschluchzen, und Dan kam ihrem Flehen nach. Er umfasste ihren Oberkörper und küsste sie. Audrey seufzte in seinen Mund, und während der Kuss noch andauerte, erkannte sie, was sie tat, und stieß ihn von sich.
«Entschuldige.» Dan stand etwas verwirrt vor ihr, und sie hob die Hand und streichelte seinen Unterarm. Sie musste sich entschuldigen, denn sie hatte ihn einfach geküsst.
«Ich bin verheiratet», murmelte sie. «Und ich bin glücklich mit ihm.»
Sie wandte sich ab und ging zurück zum Haus. Die Tränen, die haltlos über ihre Wangen rannen, wischte sie wütend weg.
Herrje, sie und glücklich? Sie war alles andere als glücklich. Sie war so unendlich traurig und allein. Und weder Dan noch Kinyua konnten diese Traurigkeit überwinden.
Wenn nur Matthew wieder zurückkam.
Als sie das Haus erreichten, hatten die anderen den Tisch verlassen und sich auf einem Kissenlager vor dem Kamin niedergelassen. Inzwischen hatte Steve so viel getrunken, dass er nur noch auf den Polstern hing und Audrey mit glasigem Blick beobachtete.
Dan setzte sich zu den anderen, und Babette drückte ihm ein Glas Wein in die Hand, das er hastig trank. Er wich Audreys Blick aus.
«Ich bin müde», sagte sie.
Keiner nahm Notiz von ihr. Sie ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Mit dem Rücken lehnte sie gegen die Tür und wartete, dass dieses Chaos tief in ihrem Innern zurückwich. Schmerz, Trauer, Erleichterung …
«Matthew», flüsterte sie.
Er fehlte so sehr.
Sie wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, zog sich aus und streifte das Nachthemd über den Kopf. Dann kroch sie unter die Bettdecke und löschte das Licht. Erschöpft schloss sie die Augen und versuchte, Schlaf zu finden. Das schrille Gelächter aus dem Wohnzimmer klang gedämpft zu ihr herüber.
Sie wollte gar nicht wissen, was dort vor sich ging.
Am nächsten Morgen war sie die Erste, die aufstand, und das blieb lange so. Den Vormittag verbrachte sie mit den Geschäftsbüchern in Matthews Arbeitszimmer, und manchmal drehte sie sich um, und ihr Blick fiel auf das Kästchen, in dem er Celias Briefe aufbewahrte.
Am frühen Nachmittag kam Fanny mit den Kindern zu ihr.
«Wir wollen einen Ausflug machen, zum Mount Kenya. Dürfen die Jungs mit?»
Thomas wackelte auf unsicheren Füßen auf Audrey zu und wollte auf ihren Schoß klettern. Sie hob ihn hoch. Chris drückte sich an
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