Am Fuß des träumenden Berges
Wochen.»
Sie dachte wieder an Fanny, die bei ihrem letzten Besuch in Nairobi so fröhlich gelacht hatte. Sie hatte geraucht, und zum Abschied hatte sie so heiter gewirkt und gesagt: «Wenn ich nicht mehr glücklich sein kann, dann komm ich zu dir nach The Brashy. Das ist dann, als würde ich heimkommen.»
Audrey hatte man gar nicht eingeladen. Irgendwie war sie abgeschnitten vom Rest der Welt, seit sie nicht länger als für ein paar Tage fortkonnte. Dieser Krieg isolierte sie zunehmend.
Aber Fanny war heimgekommen. Und sie war unglücklich.
«Ich will es gar nicht wissen», sagte Audrey müde.
«Es tut mir leid», sagte Benedict hilflos, aber sie hatte sich schon abgewandt und stapfte grußlos zurück auf die Veranda.
Sie gab Fanny das schönste Zimmer im Haus. Es hatte einen kleinen Erker, in dem ein alter Sessel stand, den Audrey für teures Geld neu hatte beziehen lassen. Sie ließ das Zimmer herrichten, und während sie darauf warteten, setzte sie sich zu Fanny auf die Veranda.
Sie schwiegen.
Schließlich fand Fanny die Worte wieder.
«Er hat sich einfach davongestohlen. Wie Jack.»
Audrey wartete.
«Weißt du, er ist ein Feigling. Ein richtiger Feigling, das ist Benedict Tuttlington. Er ist ja nicht mal in den Krieg gegangen wie Matthew und all die anderen. Nein, er hat sich rausgeredet.» Fanny schluchzte auf. Sie tastete nach einem Taschentuch, fand aber keins. Audrey gab ihr ihres und streichelte vorsichtig Fannys Arm.
Ihre Freundin schnäuzte sich und tupfte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. «Ich hab ihn immer für einen Gentleman gehalten. Ich hab gedacht, irgendwann wird er mich schon noch heiraten. Das habe ich wirklich geglaubt.Er hatte es versprochen! Aber als diese blöden Weiber in Nairobi immer wieder gegen mich hetzten, hat er nur tatenlos zugeschaut. Er hat nichts getan. Und irgendwann hab ich es eben nicht mehr ausgehalten und ihn gebeten, mich herzubringen.»
Das war nicht die Version, die sie von Benedict gehört hatte, aber Audrey stellte die Geschichte ihrer Freundin nicht in Frage.
«Du kannst bei uns bleiben», sagte sie nur. Trotz aller Belastung war sie auch erleichtert, dass Fanny zurück war.
Wenn sie hier war, wenn sie mit Audrey morgens am Tisch saß und tagsüber die Plantage besuchte, würde sie für Audrey wie ein Schutzschild sein. Kinyua würde nicht mehr so mit ihr reden, als wäre sie seinesgleichen.
«Seine Frau, das arme Ding.» Fanny seufzte. «Sie ist achtzehn Jahre alt und ihm vollkommen verfallen. Ich habe keine Ahnung, wie sie das geschafft haben, aber irgendwie haben sie dieses Mädchen aus Europa hergeschafft, damit er endlich eine Frau hat, und ich glaube, seiner Familie war es letztlich egal, wer sie ist. Hauptsache, ich werde nicht seine Frau. Eine Deutsche wollten sie nicht.»
«Du bist genauso wenig eine Deutsche wie ich», protestierte Audrey.
«Tatsächlich?» Fanny lachte bitter auf. «Die sehen das anders. Allen voran unsere über alles geschätzte Gwendolen. Ich wusste nicht, dass in diesem zarten Persönchen so eine Giftspritze steckt.» Fanny seufzte müde. «Der Krieg bringt die schlechten Seiten an uns allen zutage.»
Darüber sprachen sie nicht das erste Mal. Ehe Audrey darüber nachdenken konnte, stieß sie hervor: «Ich fühle mich zu unserem Vorarbeiter hingezogen.»
Und bereute es im selben Moment.
«Was denn, Mr. Randolph? Ich wusste nicht, dass er zurück ist. Und ich muss schon sagen, Audrey: Dein Männergeschmack war schon mal besser.»
Wenigstens lächelte Fanny jetzt wieder. Sie stand auf und begann, ihre Sachen auszupacken. Audrey beobachtete sie dabei.
«Mehr hast du nicht zu sagen?», stammelte sie.
«Was soll ich sagen? Du bist allein, Matthew ist weit weg … Meine Güte, du hast auch Bedürfnisse.»
«Fanny! Es ist doch nicht so, dass ich ihn … Außerdem ist es nicht Randolph. Der ist nämlich tot.» Fast trotzig sagte sie es.
«Oh», sagte Fanny nur. Sie zog eine Schublade auf und räumte ihre Leibwäsche hinein. «Wer ist es dann?»
Schon jetzt bereute Audrey, überhaupt etwas gesagt zu haben. «Schon gut», sagte sie.
Aber sie hatte es gesagt. Die Worte waren in der Welt und schlugen Wurzeln.
Zum Glück hatte Fanny schon bald vergessen, was Audrey gesagt hatte, und als sie am selben Nachmittag zur Plantage gingen und Kinyua dort trafen, schien sie keine Verbindung zwischen ihm, dem Vorarbeiter, und Audreys Äußerung herzustellen.
Es war ja auch zu absurd: dass sie, Audrey, sich zu
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