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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Porta …«
    »Ist das klar?«
    »Ja.«
    Das also war Abenteuer. Sanft, fast liebkosend, ließ Porta das Messer Chicos Wange hinab zur Kehle gleiten.
    »Und glaub ja nicht, du kannst mich austricksen, okay?«
    »Okay.«
    »Die Sache ist wichtig für mich, verstehst du?«
    »Verstehe.«
    Und im nächsten Moment war Porta auf und davon, verschluckt von der Dunkelheit.
    Chico brauchte mehrere Minuten, bis er wieder so weit bei Kräften war, um den Motor anzulassen. Musiklos fuhr er weiter nach Biasca. Zum ersten Mal in seinem Leben war der Junganwalt froh, als er das Leuchtschild der Apotheke und die erleuchteten Fenster der Häuser wiedersah.
    Das ist meine Gegend, hier sind die Leute wie ich.
    Zu Hause angelangt, wehte ihn Röstiduft an. Seine Mutter hatte Gulasch gekocht, und man wartete nur noch auf das Familienoberhaupt, bis man sich zu Tisch setzte. Malfanti senior war ebenfalls Anwalt mit eigener Kanzlei in Biasca, was Chico von Zeit zu Zeit zum Nachdenken veranlasste. Zwar hätte er nicht ungern eines Tages die väterlichen Mandanten übernommen, doch die Aussicht, sein gesamtes Leben in Biasca zu verbringen, fand er weniger verlockend.
    Andererseits - Abenteuer geschahen auch hier im Tal, in der tiefsten Provinz, wo Irre mit Messern aus dem Nichts auftauchen und im Nichts wieder verschwinden konnten.
    Nach dem Essen, als er im Wohnzimmer saß und im Fernsehen Ein Fall für zwei lief, dachte Chico, dass er sich eigentlich nicht so schlecht geschlagen hatte. Vor allem hatte er seine Argumente geltend gemacht. Seinen Eltern erzählte er nichts davon, aber er erlaubte sich ein kleines zufriedenes Lächeln.
    »Wie war’s in der Kanzlei?«, fragte Malfanti senior wie jeden Abend.
    »Das Übliche«, sagte Chico.
    Behaglich warm war es im Haus, und das einlullende Geplapper aus dem Fernsehen geleitete diesen Januartag sanft seinem Ende entgegen. Chico hatte ein ausgezeichnetes Gulasch mit Rösti verspeist und die Mahlzeit mit einem körperreichen Bordeaux begossen, mit Obstsalat beendet und mit einem kleinen Grappa gekrönt. Jetzt hörte er dem Geplauder seines Vaters zu und kam unterdessen zu der Überzeugung, dass Abenteuer eben doch nicht schlecht sind. Natürlich hatte er Angst gehabt. Natürlich hatte er überlegt, die Polizei zu verständigen. Aber während er auf dem Bildschirm Matula allein gegen allerlei Widrigkeiten kämpfen sah und aus dem Augenwinkel einen Blick auf seine auf dem Sofa nebeneinander sitzenden Eltern tat, sagte er sich: Mir ist alles recht, was mich von hier fortbringt.
    Und er beschloss, sich so zu verhalten, als wäre nichts geschehen.
     
    »Also ich bin sicher, du hast dir wegen irgendwas Sorgen gemacht«, sagte Tommi.
    »Ach ja?« Francesca lächelte. »Woher willst du das denn wissen?«
    »Na, ich hab dich doch gesehen, wie du am Bahnsteig auf und ab getigert bist … wie ein Wachposten!«
    »Bis ich mit dir kollidiert bin.«
    Sie lachten beide. Der Zug hatte den Bahnhof Taverne-Torricella hinter sich, die nächste Station war Lugano, und Francesca musste zugeben, dass dieser Typ eigentlich ganz nett war, auch wenn ihr seine spontane Herzlichkeit irgendwie sonderbar vorkam. Auch ein bisschen aufdringlich. Aber nachdem er in Lugano aussteigen wollte, bestand keine Gefahr, dass sie ihn nicht mehr loswurde. Er war eine große Plaudertasche: hatte ihr von seiner Arbeit in der Verwaltung eines Autohauses, von seiner Liebe zum Malvagliatal, seiner Leidenschaft für Autos und für die Mathematik erzählt. Erst am Ende seines Redeschwalls kamen auch ein paar Fragen.
    »Also, es stimmt schon, dass ich in Gedanken war. Beziehungsgeschichten halt …«
    »Verstehe. Ich hatte auch schon Streit mit meiner Freundin.«
    »Es ist eigentlich kein Streit, eher sind es meine Zweifel. Aber vielleicht bin ich einfach ein bisschen erschöpft - seit Ewigkeiten arbeite ich an meiner Dissertation und muss endlich fertig werden …«
    »Ja, klar. Ich hab auch ziemlich viel gearbeitet in letzter Zeit. Weißt du was?« Tommi beugte sich vor, hell begeistert von sich. »Wenn man müde oder erschöpft ist, dann ist es echt schwer, Entscheidungen zu treffen. Das ist mir in letzter Zeit klargeworden.«
    »Ja, schon … in Beziehungsangelegenheiten, meinst du?«
    »Nicht nur. Ich zum Beispiel hab vor einiger Zeit eine wichtige Entscheidung getroffen, ich habe beschlossen, etwas zu tun. Etwas Schwieriges. Aber dann hab ich’s nicht geschafft. Zwar bin ich immer noch dran, ich nähere mich, versuch’s, aber … bringe

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