Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
benutzen.
Bin nur Dumm und Dümmer.
Deshalb halte ich sie einfach nur im Arm – dicht an mich gedrückt –, bis sie fertig ist mit dem Weinen.
»Jetzt habe ich genug geheult«, sagt sie und windetsich aus meinem Griff heraus. Meine Arme sind steif geworden und es knackt, als sie sich losmacht.
»Warum verliebt man sich auch in solche unfähigen Kerle!«, sagt sie leicht wütend.
Ich biete ihr noch einen Keks an und wir mümmeln schweigend unsere Zitronenkekse.
»Glaubst du, dass er mich mag … jedenfalls ein bisschen?«, fragt sie mit Tränen in den Augenwinkeln.
Ich seufze und bin so hilflos, dass ich sogar meine Wörterliste im Kopf verloren habe.
»War das ein Ja oder ein Nein?«, fragt sie und zieht die Augenbrauen zusammen.
Ich breite die Arme aus, um ihr zu zeigen, dass ich es nicht weiß. Und ich weiß es wirklich nicht. Mit Jerry wird es nie langweilig. Aber fragt mich bitte nicht, was er denkt oder meint – oder was er in der nächsten Minute denken oder meinen wird. Jerry ist eine gezündete Rakete, die in vielen schönen Feuerwerksfiguren, Farben und Mustern am Himmel explodiert. Aber voraussagen, was er mag? Unmöglich.
Da höre ich hinter mir ein Räuspern, dass ich fast aus der Rolle des Dummen und Dümmeren falle. Und stattdessen zum Toten und Toteren werde.
3. JERRY AUF DEN KNIEN
Jerry steht da. Ganz plötzlich. Unerwartet. Frisch geduscht. Sauber angezogen. Mit gekämmtem Haar. Sieht ganz anders aus als die verheulte Selma und der erschöpfte Dumm und Dümmer.
»Es tut mir so schrecklich leid, Selma«, sagt er mit diesem manischen Blick in den Augen.
»Bleib mir vom Leib!«, zischt sie.
»Aber ich …« Er gibt sich Mühe. Er gibt sich wirklich Mühe. Und Dumm und Dümmer wünschte, er selbst könnte einfach schmelzen und verschwinden.
»Kein Wort mehr!«, sagt sie und dann packt sie das Herz, das immer noch um ihren Hals hängt, reißt die Kette durch und wirft sie ihm vor die Füße.
»Selma«, sagt er und hockt sich hin. Hebt das Herz und die Reste der Kette auf.
Sie steht auf, geht aber nicht. Ihre Füße würden schon gern. Aber der Rest des Körpers bleibt stehen. Lehnt sich verzweifelt gegen die Wand des Wartehäuschens.
Da tut er etwas, das mich vorsichtig auf der Bank nach hinten rutschen lässt. Bis mein Rücken und mein Hintern gegen die Wand stoßen. Jerry geht vor ihr auf die Knie.
Jetzt möchte Dumm und Dümmer wirklich sterben.
4. GESPRÄCH IM GRAS
Jerry geht tatsächlich auf die Knie und überreicht ihr die Kette.
Selma kann sich nicht entscheiden. Es zuckt in ihren Mundwinkeln und es zuckt in ihrer Hand.
»Ich war ja so dumm, Selma«, sagt Jerry und starrt sie wie ein Cockerspaniel an, der um Schokolade bettelt.
»Ja, das warst du wirklich«, bestätigt sie und kann sich immer noch nicht entscheiden.
»Nimm dieses Herz …«, sagt er und fängt fast an zu heulen.
Da hebt sich der Hintern von Dumm und Dümmer von der Bank.
Die beiden sind so tief in ihre Romeo-und-Julia-Szene vertieft, dass sie gar nicht bemerken, wie ich mich aus dem Wartehäuschen schleiche. Vorsichtig ziehe ich mich zurück. Aber die beiden machen einfach weiter. Jerry redet und redet und hat wieder an Tempo gewonnen.
Ich laufe zurück zum Haus. Es ist erst halb neun, aber meine Eltern sind schon weggefahren. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was sie gestern gesagt haben. Aber irgendetwas haben sie zu erledigen.
Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel. »Wir sind bis 12 Uhr weg. Kaufen einen neuen Stuhl für Großvater«, hat mein Vater aufgeschrieben. Und dann hat er unten noch hinzugefügt – gleich doppelt unterstrichen: »JETZT MÜSST IHR ABER MALEN, JUNGS! ES SOLL MORGEN FERTIG SEIN!!!«
Ich mache eine Runde um das Haus.
Nun ja, es ist nicht schwer zu erkennen, dass das unmöglich ist. Wir haben mit der letzten Wand noch nicht einmal angefangen. Und davon abgesehen sind wir noch beim ersten Anstrich. Die Wände brauchen zwei.
Wie kann er also annehmen, dass wir damit fertig werden?
Allenfalls, wenn wir behaupten, dass die anderendrei Wände schon zwei Anstriche haben. Ob Vater darauf hereinfällt?
Das wäre zumindest ein Fünkchen Hoffnung.
Sogar so viel, dass ich mich ins Gras lege und einschlafe. Und erst aufwache, als der Mann, der gerade noch auf Knien lag, sich neben mich fallen lässt.
»Nun ist das Durcheinander geregelt«, sagt er zufrieden.
»Was?«, erwidere ich.
»Selma«, erklärt er lächelnd. »Ich habe sie um
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