Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
eingefallen«, sagt Jerry. »Wir haben das große Ziel aus dem Auge verloren. Ja, vielleicht bin ich vor allem derjenige, der es verloren hat. Aber wie dem auch sei, es geht um den Riesenhecht, Bud.Wir wollten ihn doch fangen. Man darf vor lauter Details nicht die großen Dinge vergessen.«
»Und wem … äh … wem willst du ihn … äh … dann geben?«, frage ich.
»Es geht nicht mehr darum, dass ihn jemand bekommen soll«, unterbricht er mich abrupt. »Der Punkt ist, dass ich ihn fangen will. Ich werde ihn ausfindig machen & einfangen. Man setzt sich ein Ziel & dann kommt es darauf an, es zu erreichen, Bud. Du solltest nicht so einer sein, der seine Ziele aufgibt, sobald ein Hindernis auftaucht. Hindernisse sind dazu da, überwunden zu werden. Hindernisse sind dazu da, dass wir etwas lernen. Was willst du eigentlich aus deinem Leben machen? Nur eine flache, öde Ebene mit möglichst wenigen Hügeln? Was hast du dann davon gelernt? Nein, mein Freund, so ist das Leben nicht. Da braucht es Herausforderungen. Denn erst dann macht es Spaß!«
»Hm«, antworte ich und denke im Stillen, dass ich bereits ausreichend Spaß für das ganze Jahr hatte.
ZITAT AUS: »Henry Walden: Der Fisch meines Lebens. Die Jagd auf den Riesenhecht.«
»Ich haben den ersten Tag dazu benutzt, die Seen zu studieren. Herauszufinden, wo der Hecht sich höchstwahrscheinlich aufhielt – bereit zuzubeißen. Wo die Untiefen und wo die Tiefen waren. Wo es gute Möglichkeiten für einen gierigen Riesenhecht gab, im Hinterhalt zu liegen.
Wie bereits erwähnt, ziehe ich es vor, mit einem Blinker zu angeln. Ich angele vom Ufer aus. Ja, ich weiß, dass man mit dem Boot viel größere Bereiche der Binnenseen erreichen kann. Aber wer schafft es, ein Boot durch den Wald zu tragen? Ich wandere lieber mit leichtem Gepäck. Wenige Dinge. Nicht viel Ausrüstung. Aber gute Ausrüstung – wie ich schon beschrieben habe. Und nur das Beste ist gut genug für die Bestie, die ich fangen will.
Über meine Wurftechnik will ich nicht viel verraten. Ich habe die Technik mehrere Jahre lang eingeübt. Habe einen Spezialgriff an der Rute und einen ganz besonderen Wurf über den Kopf und inzwischen weiß ich haargenau, wann ich die Schnur und den Blinker auslaufen lassen muss. Bitte verstehen Sie, dass auch ich ein paar Geheimnisse für mich behalten will.
Ich hatte geplant, es wie immer zu tun – da ich glaube, dass Hechte es vorziehen, in der Nähe des Grundes zu stehen – und den Blinker so dicht wie möglich über den Grund zu ziehen. Deshalb sollte die Wassertiefe bestimmen, wie schwer der Blinker sein musste.
Das Wichtigste war also herauszufinden, wo der Grund war. Deshalb war der erste Wurf nur zum Messen. Ich ließ den Blinker sinken und zählte so lange, bis er den Boden erreichte. 1 – 2 – 3 – usw. Ich kam bis 15.
Wenn das die Stelle war, wo ich angeln wollte, musste ich beim nächsten Wurf anfangen einzuholen, wenn ich bis 14 gezählt hatte. Dann würde mein Blinker direkt an einem eventuell im Hinterhalt liegenden Hecht vorbeikommen. Vorzugsweise am Riesenhecht …«
6. DÜNNE FISCHSUPPE = SAMSTAG
1. EIN MORGENDLICHES TREFFEN
»Tock! Tock!«
Ich öffne die Augen, als ich das leise Geräusch höre. Wie ein Vogel, der gegen die Scheibe pickt.
»Tock! Tock!«
Ich massiere meine Schläfen und mein Gesicht und versuche, die Augen aufzukriegen. Meine Augenlider sind festgeklebt.
»Tock! Tock!«
Ich hebe den Kopf vom Kissen und öffne mit den Fingern die Augenlider. Schiebe sie nach oben, um sehen zu können. Ziehe die Gardine zur Seite und schaue hinaus, kann jedoch keinen nervenden Vogel entdecken.
Lasse mich wieder ins Bett fallen. »Tock! Tock!« Fahre erneut hoch.
Ich schaue wieder hinaus.
Kein Vogel.
Versuche zu schlafen.
»Tock! Tock!«
Scheißvogel! Ich rolle aus dem Bett und wäre fast auf Jerry getreten. Aber im letzten Moment kann ich noch über seinen Kopf hinwegsteigen und gehe zur Tür. Drücke die Türklinke hinunter und spähe hinausin die Welt. Mache ein paar Schritte hinaus in den Garten und schaue um die Ecke.
Da steht Selma.
Und da stehe ich – verschwitzt, nur in Unterhose, mit rotem Gesicht, noch nach Alkohol und unruhigen Träumen stinkend.
»Oi!«, sage ich.
»Oje«, sagt sie.
Peinliche Augenblicke schleichen wie Schnecken in langsamer Gangart davon.
»Ich würde gern mit dir reden«, sagt sie.
»Oi oi!«, bringe ich gerade noch heraus. Ungefähr so
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