Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
laufen, springen, werfen, schwitzen und ein paar gewinnen und die meisten verlieren. Pokale werden ausgeteilt und das Publikum ist WAHNSINNIG begeistert, weil es ja ihre Kinder sind, die sich da unten auf der Grasbahn abmühen. Es gibt Schweiß, Hormone und Geflenne für diejenigen, die gerne flennen.
Dann war der Augenblick gekommen: Ich sollte über den Bock springen.
Und da stand er.
Weiß und bedrohlich.
Eklig und mich verhöhnend.
Ich stand an der Absprungmarke und Valen stand mit der Pfeife in der Hand bereit.
»Und … Sprung!«, rief er und pfiff.
Und ich stand da. Ganz ruhig.
Valen schaute sich um und lächelte dumm. Holte tief Luft. »Und … Sprung!«, rief er.
Ich hatte ein Bein vor das andere gestellt. Bereit loszulaufen. Ohne jedoch loszulaufen. Ich stand einfach so da.
Hasste den Bock und Valen und das Sportfest und zeigte das, indem ich nicht lief und nicht sprang. Valen begriff das.
Er musste noch einmal tief Luft holen, bevor er sich mit einem entschuldigenden Lächeln umschaute, dann pfiff er wieder und rief, ich solle springen, zum dritten Mal. Jetzt lachten schon einige auf der Tribüne und zeigten auf mich.
Ich stand wie eine Schaufensterpuppe da. Bereit loszulaufen, lief aber nicht: Lächelte nur höflich, als würde ich ja gern zu Diensten stehen, verstünde jedoch nicht, was Valen von mir eigentlich wollte.
Circa dreihundert Menschen starrten mich an.
Und ich hielt der Herausforderung stand – fand ich selbst jedenfalls. Führte weiter Krieg. Gewann die letzte Schlacht gegen Valen und den Bock. Verteidigte meinen Platz.
Valen war derjenige, der zum Megafon griff und mir noch einmal befahl, über den Bock zu springen. Als ich mich nicht rührte, fing er an, mich auszuschimpfen. »Du verfressener Ochse von einer Scheißwurst! Nun komm endlich über das Gerät oder soll ich persönlich meinen Fuß auf deinen fetten Arsch pflanzen und dich rübertreten? Zeig mir, dass du ein Mann bist und keine Maus, du Fettwanst! Ich glaube, du hast Blei im Hintern, Bud Martin. Es kann keinen anderen Grund geben, warum du dich sonst wie ein zickiges Fräulein aufführst, du Miststück, du Drecksack, du Fleischberg von einem Menschen. Du biologische Minusvariante. Dich sollte man erschießen!«
Und so weiter.
Anfangs fand ich das noch komisch. Aber dann war es nur noch tragisch. Es war der Tod, Depri, Down und Beschissen zugleich.
Und dann kam der Schulleiter zu Valen, nahm ihm dasMegafon weg und versuchte, ihn mit sich zu ziehen. Aber Valen hielt dagegen, sodass zwei Lehrer nötig waren, um ihn vom Platz zu holen.
Zu diesem Zeitpunkt hatten einige der Zuschauer angefangen zu rufen: »BUH!«
Zu mir.
Obwohl ich mich doch nur in einem Krieg verteidigt hatte.
Ich hatte sogar gewonnen. Fand ich zumindest.
Die »BUH«-Rufe wurden immer lauter und ich verließ den Platz. Als wäre es meine Schuld, dass Valen herumschrie und mich beschimpfte.
Es war genau wie dieser Samstag heute. Das ist eine zu lange Geschichte, um sie in einem Brief wie diesem zu erzählen, aber auch dieser Samstag sah zunächst so aus, als wäre es mein Tag. Aber dann wurde er es doch nicht. Es gab keinen Sieg. Es gab keinen Triumph.
Ich ging nach Hause und fühlte, dass mich der weiße Bock trotz allem besiegt hatte.
Und bevor ich an diesem Abend zu Hause angekommen war, da war mir klar, dass es nur noch eins zu tun gab. Der Krieg war noch nicht beendet.
Mit freundlichen Grüßen
Bud Martin
Ich schicke die E-Mail los und hoffe, dass Starbokk sieht, dass ich sogar an einem Samstagabend Einsatz zeige. Dass er sich das merkt und versteht, dass ich wirklich versuche, es hinzukriegen. Jetzt fehlt nur noch das Schlimmste.
13. DER REST DES ABENDS
Über den Rest des Samstagabends ist nicht viel zu sagen. Ich finde Jerry und Selma im Wartehäuschen. Da hocken sie und stopfen sich mit Schokolade voll, die Selma gekauft hat.
»Ich drehe eine Runde«, sage ich und drehe eine Runde.
Ertrage nichts mehr von Tod, Depri, Down und Beschissenem, das wie eine Stimmungswolke über dem Häuschen hängt.
Ich drehe eine Runde und schiebe das vor mir her, was getan werden muss.
Was mir gar nicht ähnlichsieht.
Das heißt – es sieht der Maus im Mäuseloch gar nicht ähnlich, so etwas zu tun.
Ich hole mein Handy heraus, gucke es an und denke – es ist ja nur ein Anruf. Ich muss dem Betreffenden ja nicht ins Gesicht sehen. Ich muss den Mund nicht sehen, wenn er Nein sagt. Ich muss nicht nach Entschuldigungen
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