Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
suchen, während ich davontrotte. Ich komme um viele der schlimmsten Sachen herum.
Andererseits – ein Abend so voll mit Tod, Depri, Down und Beschissen kann bestimmt noch schlimmer werden.
Doch da fällt mir ein, dass ich ja heute Niemand bin.
Und nichts kann Niemand verletzen.
Niemand hat keine Gefühle. Also heißt es nur anrufen und es hinter sich bringen.
Also wählt Niemand eine Nummer.
Niemand spricht mit Jemandem am anderen Ende.
Niemand beendet schließlich das Gespräch und trennt die Verbindung.
Niemand schlendert zurück zum Wartehäuschen, schiebt sich ein paar Süßigkeiten rein und plaudert darüber, dass Selma morgen abfährt.
Niemand versteht schließlich, dass sie einen Moment privat mit Jerry haben möchte. Deshalb kehrt Niemand frühzeitig zurück. Liest ein paar Comics. Hört eine Zappa-CD.
Niemand ist eingeschlafen, als Jerry hereinkommt, kussrot um den Mund.
»Das wird wohl nichts mit einer Spritztour zum Pavillon heute«, sagt er traurig.
»Nein«, antworte ich. »Wir lassen es lieber hier ruhig angehen.«
»Okidoki«, flüstert er und verschwindet auf seiner Matratze.
»Okidoki«, antworte ich.
Und damit ist es Nacht und nur der Tod, Depri, Down und Beschissen herrschen. Wir überlassen demütig die Bahn diesen vier großen alten Männern – größer als das Meer und älter als das Meer.
ZITAT AUS: »Henry Walden: Der Fisch meines Lebens. Die Jagd auf den Riesenhecht.«
»Es gibt viele schöne Momente beim Angeln. Einer davon ist, morgens bei herrlichem Wetter am Wasser zu stehen, auszuwerfen und das Gefühl zu haben, dass man der Einzige im ganzen Wald ist, der das gerade tut. Dass man ein Teil von etwas Größerem ist. Ein anderer: Man fühlt, dass alles funktioniert, wie es soll. Und zum Dritten: Körper und Angelrute werden eins.
All das ergibt herrliche Momente, wie ich sie im Laufe dieser Jahre häufiger hatte. Aber es gibt nur einen Augenblick, der wirklich magisch ist.
Wenn einer anbeißt.
Kein vorsichtiges Knabbern, wenn ein Fisch am Haken schnuppert oder wenn er in einem Strömungswirbel schnappt oder du fühlst, dass der Haken sich in etwas Schwerem, Unbeweglichem verfangen hat.
Ich denke daran, wie es ist, wenn er zuschnappt und festsitzt und man Leben am anderen Ende der Leine spürt.
Das ist ein magischer Augenblick.
Für ihn leben wir alle zusammen.
Für eben diesen Magischen Augenblick, wenn einer anbeißt.
Von ihm handelt alles, was über das Angeln gesagt wird – er beschreibt das Warten auf den Magischen Augenblick, in dem man eine Verbindung aufbaut mit dem da draußen, das hereingeholt werden muss und zu deiner zweitgrößten Erinnerung an einen Angelausflugwird. Das aber vielleicht auch wieder vom Haken rutscht und nur zu einer guten Geschichte wird, die im Laufe der Jahre zu einer Mordsstory anwächst, über den großen Brocken, der noch einmal davongekommen ist.
Und der Magische Augenblick ist gekommen, wenn einer zuschnappt und wir spüren, dass wir leben.«
7. DER RIES EN HECHT = SONNTAG
1. EIN MANN MIT EINEM PLAN UND EIN KRANKER MANN MIT EINEM KRANKEN PLAN
Ich wache davon auf, dass ich von einem geisteskranken Tier angegriffen werde, das meinen Körper mit scharfen Krallen zerkratzt und mir mit langen Zähnen in die Ohren beißt und mir dabei seinen ekligen Atem in den Nacken pustet. Ich wälze mich herum, schlage um mich und versuche, mich zu verteidigen.
Aber das Tier hat mich bald übermannt, und während der Schlaf sich verabschiedet und mein Traum entschwindet – ein XX L-Traum über mich und Maggie –, wird mir klar, dass das Tier doch nicht so geisteskrank ist. Es ist nur Jerry, der mich unsanft an den Schultern rüttelt.
Alles wird größer, wenn man schläft.
»Hey!«, brumme ich. »Was willst du?«
»Wir müssen den Fisch fangen«, sagt er und der Wahnsinn ist in seinen Augen zu sehen. Als hätte jemand hinter den Pupillen eine Taschenlampe eingeschaltet. Richtig unheimlich.
»Du bist ja krank!«, erwidere ich. »Leg dich wieder hin.«
»Wenn wir den Fisch fangen, dann ist alles gerettet«, murmelt er und zieht mir die Bettdecke weg.
Das erinnert mich an einen anderen Morgen. Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, an welchen. Alle Morgenstunden mit Jerry sind sowieso … anders.
»Hey! Bring sofort meine Decke zurück!«, rufe ich.
Aber Jerry nimmt sie mit zur Tür und wirft sie hinaus. Er selbst ist bereits angezogen, bereit loszuziehen.
»Komm!«, sagt er. Er spricht wie ein
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