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Am Hang

Am Hang

Titel: Am Hang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Werner
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nicht bedeutet, daß ich Verständnis hätte für Ihren Anschlag auf die Energieversorgung, der übrigens auch Sie schwer treffen würde: kein Mozart und kein Haydn mehr in Ihren nächtlichen Stunden! – O Gott, sagte Loos, das habe ich nicht bedacht, aber ich kann es verwinden, ich werde mir zur Not selbst etwas vormusizieren. – Wein, fuhr ich fort, wird zur Mangelware und Zigaretten auch, nur schon aufgrund der kollabierenden Logistik. – Sie quälen mich, sagte Loos, Sie machen mir die Sintflut madig, das ist nicht nett. – Ich warne Sie ja nur vor deren Folgen für Sie selbst. – Gut, sagte er, dann müssen wir jetzt scharf überlegen, wohin man sich noch wünschen könnte. Vorne kein Stauraum für Träume, hinten Romantik mit Mängeln und in der Mitte jener pralle Wahnwitz, der unseren Fluchtwunsch verursacht. Wohin also? Was tun? – Ich wüßte etwas, sagte ich: wir sollten jetzt aufbrechen.
    Fast hätte ich, als wir zur Erleichterung des Personals endlich und als letzte aufstanden, das Gleichgewicht verloren. Loos, selber leicht schwankend, wenn auch souveräner als ich, sah es und bot sich an, mich nach Agra hinauf zu begleiten. Ich sagte, daß ich sein Angebot zu schätzen wisse, er könne aber ruhig schlafen gehen. Es handle sich nicht um ein Angebot, sagte er, sondern um ein Bedürfnis. Ich bin noch fit, ich fahre, sagte ich, es geht ja fast nur aufwärts, abwärts wäre heikler. – Komm, sagte Loos, mach kein Theater. – Ich holte die Taschenlampe aus dem Handschuhfach meines Wagens, Loos stand daneben und sagte: Oh, ein Cabrio. – Ein Gebrauchtwagen, sagte ich und warf die Taschenlampe, da sie nicht funktionierte, ins Auto zurück. Wir haben ja den Halbmond, sagte er, hakte mich unter und zog mich weg. Nach wenigen Schritten ließ er mich wieder frei, abrupt, wie erschrocken über die plötzliche Nähe. Wir gingen ohne zu reden durchs Dorf. Vor dem kleinen Kiosk neben der Post blieb er stehen und sagte, hier würden auch Kunstpostkarten verkauft mit Aquarellen von Hesse, seine Frau habe sie sehr geliebt. – Und Sie? fragte ich, was halten Sie davon? – Für ihn, sagte er, sei das, was seine Frau einmal geliebt habe, irgendwie unantastbar. – Ich fragte im Weitergehn, ob das schon zu Lebzeiten seiner Frau gegolten habe. – Wenn es ihm unmöglich gewesen sei, ihre Liebe zu teilen, so habe er doch immer versucht, das von ihr Geliebte gelten zu lassen und das Liebenswerte daran zu erahnen. – Und wenn sie eines Tages einen Gartenzwerg heimgebracht hätte? – Loos sagte, normalerweise wisse man schon vor der Heirat, ob die Erwählte je einen Gartenzwerg nach Hause bringen werde oder nicht. Im übrigen habe seine Frau nicht nur die Aquarelle Hesses, sondern auch seine Literatur geliebt, wahrscheinlich, weil sie immer ein wenig auf der Suche gewesen sei, und für Suchende sei Hesse ja eine feine Adresse, man könne seine Bücher aufschlagen, wo man wolle, man stoße stets auf eine Lebensweisheit oder Lebensregel, was er, Loos, eher zum Verzweifeln finde, während sich seine Frau in einem karierten Heftchen eine Sammlung von solchen Weisheiten angelegt habe. Aber er wolle nicht spötteln, er habe ihre Vorlieben, wie gesagt, immer geachtet, und als sie einmal, vor etwa zwei Jahren, den Wunsch geäußert habe, über ein Wochenende mit ihm nach Montagnola zu fahren, um das Hesse-Museum in der Torre Camuzzi zu besuchen, sei er sofort einverstanden gewesen. Allerdings, das habe er in diesem kleinen und eigentlich recht hübschen Museum dann doch merken müssen, hätten ihn die ausgestellten Reliquien wie etwa Hesses Brillen oder ein Telegramm Adenauers zum Fünfundsiebzigsten des Dichters nicht sonderlich berührt, am wenigsten Hesses Regenschirm. Doch ausgerechnet dieser scheine seine Frau förmlich ergriffen zu haben.
    Loos blieb stehn und atmete schwer. Seit ich allein bin, rauche ich wieder, das rächt sich, sagte er. Fünf Jahre lang habe ich nicht mehr geraucht, obwohl mich meine Frau, sie selbst war Nichtraucherin, niemals dazu gedrängt hat aufzuhören. Es war eine fettleibige Dame, die mich von meiner Sucht befreit hat. – Eine Handauflegerin? – Nein, keine Handauflegerin, sondern eine Person, die mir in einem Café gegenübersaß und diverse Süßspeisen verzehrte, hastig und mit geradezu schamloser Gier. Ich empfand Ekel. Wie kann man so haltlos und willensschwach sein, fragte ich mich, zündete mir eine Zigarette an und merkte, daß ich sie gierig rauchte. Es war meine letzte, und in

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