Am Helllichten Tag
Schavenmaker angespuckt hat. Bedauerlicherweise befindet sich die DNA aus dem Speichel des mutmaßlichen Täters nicht in unserer Datenbank.«
Er schweigt einen Moment und fügt dann hinzu: »Trotzdem werden wir alles Menschenmögliche tun, um ihn zu finden. Und zwar so schnell wie möglich. Noch Fragen?«
Bisher haben alle konzentriert zugehört, jetzt bricht ein wahres Sperrfeuer von Fragen los.
Die meisten kann Ramakers allerdings nicht beantworten. Die nächste halbe Stunde vergeht damit, dass Ramakers den anwesenden Beamten Aufträge erteilt. Einer nach dem anderen verlässt den Raum.
Am Ende winkt er Julia und Sjoerd heran.
»Frau Vriens, Sie sind doch in Donderberg aufgewachsen, oder?«
»In Sterrenberg.«
»Egal, liegt ja gleich daneben. Also kennen Sie dort jede Menge Leute. Sie und Herr Volleberg werden die Aussagen der Anwohner überprüfen und weitere Nachforschungen anstellen. Wir haben es mit einem Täter zu tun, der offenbar noch nie mit der Polizei in Berührung gekommen ist und jetzt aus heiterem Himmel einen Doppelmord begangen hat. Das irritiert mich. Es könnte gut sein, dass er im Auftrag eines Dritten gehandelt hat.«
»Oder er ist ein Krimineller, der so schlau vorgeht, dass er bisher nie erwischt wurde.«
»Genau das sollen Sie herausfinden. Nehmen Sie sich die Befragungsprotokolle vor, und dann los!«
»Die geben kaum etwas her. In einem Viertel wie Donderberg deckt jeder jeden.«
»Dann sorgen Sie eben dafür, dass die Leute den Mund aufmachen«, sagt Ramakers. »Ich brauche Namen. Und zwar noch heute.«
9
»Noch heute«, wiederholt Julia, als sie über den Parkplatz zum Auto gehen. »Sehr wohl, Euer Gnaden. In einer Stunde bekommen Sie eine ganze Liste von mir.«
Verärgert lässt sie sich auf den Fahrersitz fallen. Diesmal ist sie dran mit Fahren, doch als sie gerade den Motor anlassen will, sagt sie zu Sjoerd: »Sei so nett und fahr du. Dann kann ich mich besser umsehen.«
Er fängt den Autoschlüssel auf, den sie ihm zuwirft, und sie tauschen die Plätze.
Ramakers hat gut reden!, denkt Julia, als sie den Andersonweg entlangfahren. Sie ist zwar in Sterrenberg, dem Stadtteil neben Donderberg, aufgewachsen, aber die meisten ihrer früheren Bekannten leben längst woanders. Gut, ein paar Leute kennt sie noch, aber nicht so gut, dass von ihnen Insider-Informationen zu erwarten wären …
»Wohin zuerst?«, fragt Sjoerd. »Oder soll ich einfach ein bisschen durch die Gegend fahren?«
»Ja, mach mal. Oder nein: Lass uns zu dem Imbiss neben dem Spielplatz am Park fahren, der ist ein beliebter Treffpunkt.«
Sie biegen rechts in die Koninginnelaan, fahren dann in den Bredeweg und sind kurz darauf in Donderberg.
Die Gegend wirkt friedlich, aber der Eindruck täuscht. In den letzten vier Monaten wurden hier mehrmals Routinekontrollen durchgeführt und bei insgesamt hundert Personen dreißig Waffen gefunden, darunter so große Messer, dass es schon an ein Wunder grenzte, dass die Besitzer sich nicht selbst damit verletzt hatten.
Vor einer Dönerbude steht eine Gruppe Jugendlicher in Kapuzenjacken und mit Bierflaschen in der Hand.
Als das Auto langsam an ihnen vorbeifährt, sehen sie ihm misstrauisch nach. Julia und Sjoerd sind zwar mit einem Zivilfahrzeug unterwegs und tragen keine Uniform, dennoch ist es so, als stünde ihnen das Wort »Polizei« auf die Stirn geschrieben.
Noch vor Kurzem hätten die Jungen ihr Auto mit Müll beworfen – vor der Einführung der Nulltoleranzstrategie war das die übliche Reaktion auf Polizeipräsenz.
In der Nähe des kleinen, ziemlich heruntergekommenen Spielplatzes parkt Sjoerd am Straßenrand, und sie steigen aus. Im Park, der von der Bachstraat aus zugänglich ist, sehen sie ein paar Kinder. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit langen dunklen Locken hat ein Kleinkind an der Hand, ein jüngeres Mädchen schiebt den leeren Buggy hinterher.
Gleich an der Ecke liegt die Imbissstube »Donderberg«. Sie gehört Roy, den Julia noch von früher kennt.
»Hallo, Roy«, sagt sie beim Eintreten. Auch Sjoerd grüßt, doch dem Wirt scheint ihr Besuch ganz und gar nicht zu passen. Mit einem Geschirrtuch in der Hand steht er hinterm Tresen und brummt etwas in seinen Bert.
»Wir möchten dich etwas fragen«, sagt Julia.
»Ich weiß nichts über die Morde in der Bachstraat, okay? Rein gar nichts!«
»Schon gut. Wir wollten auch nur fragen, ob du Milchshakes für uns hast. Ich nehme Erdbeere.« Sie wendet sich ihrem Kollegen zu: »Und du?
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