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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Interessenten gründlich an. Und wenn ich bei jemandem Zweifel hab, kann ich ja dich fragen, ob er was auf dem Kerbholz hat.« Emma nippt an ihrer Teetasse.
    Liebe Güte, denkt Julia, ich kann doch nicht einfach Leute überprüfen, die meiner Oma suspekt vorkommen. Trotzdem nimmt sie sich vor, ihre Großmutter nach Kräften zu unterstützen und sich die Mieter, wenn es so weit ist, wenigstens einmal anzusehen.
    »Wenn ich dir helfen kann, meldest du dich, ja?«, sagt sie.
    »Ist schon in Ordnung, Liebes. Lukas, das ist der Sohn einer Bekannten, geht mir öfter zur Hand. Er hat einen Kleinbus und transportiert ab und zu mal was für mich. Der hilft mir auch beim Räumen und mit den Kartons.« Sie zeigt auf den Turm, der den beigefarbenen Vorhang gegen die Wand drückt. »Aber reden wir nicht weiter von mir, sondern von dir. Bist du immer noch verliebt?«
    »Mit Taco läuft alles gut«, sagt Julia, obwohl sie nach wie vor vergeblich auf einen Anruf von ihm wartet.
    Emma Vriens schüttelt ihre weißen Locken. »Den meine ich nicht, sondern deinen Kollegen. Den Verheirateten. Ich hoffe, du bist inzwischen darüber hinweg.«
    Ihre Oma hat sie schon immer durchschaut. Ihr konnte Julia nichts vormachen, als sie von der Beziehung zu Taco berichtete.
    Sie radelt nach Hause, an Kornfeldern und Wiesen vorbei, doch die friedliche, sonnenbeschienene Landschaft wirkt heute nicht so beruhigend auf sie wie sonst.
    Die Worte ihrer Großmutter hatten ein wenig spitz geklungen, ganz so, als fände sie es ziemlich daneben, dass ihre Enkelin, eine beruflich erfolgreiche und gut aussehende Frau, ihr Herz an einen Mann hängt, von dem nichts zu erwarten ist.
    Seit drei Jahren arbeitet Julia inzwischen mit Sjoerd zusammen, und ebenso lange lässt sie jeden Abend den Tag Revue passieren und überlegt, ob da nichts war, das darauf hindeutet, dass Sjoerd ihre Gefühle erwidert.
    Nächtelang hat sie schon wach gelegen und gegrübelt, ob er schlicht nicht merkt, was in ihr vorgeht, oder ob er vielleicht doch in sie verliebt ist, aber nicht wagt, es zuzugeben.
    Vermutlich wäre ihre Verliebtheit längst wieder vorüber, wenn sie ihn nicht ständig sehen, nicht täglich seinen Duft wahrnehmen würde und sein Gesicht vor sich hätte: die hellbraunen Augen, das markante, nie ganz glatt rasierte Kinn. Oft muss sie sich zusammenreißen, um ihm nicht spontan über die Wange oder durchs Haar zu streichen.
    Jedes Wochenende ist eine Erleichterung für sie, wäre da nicht die Sehnsucht.
    Dabei weiß sie nicht einmal, was sie täte, wenn Sjoerd sich ihr tatsächlich zuwenden würde. Wäre sie in der Lage, Melanie zu hintergehen und mit ihrem Mann ein Verhältnis zu beginnen?
    Die Versuchung wäre zugegebenermaßen groß, zu groß wahrscheinlich.
    Eine Zeit lang war da eine merkwürdige Spannung zwischen ihnen, sodass Julia das Gefühl hatte, es könnte vielleicht doch noch etwas mit Sjoerd werden. Aber das ist vorbei, denn inzwischen geht es nicht mehr nur um Melanie, sondern auch um den kleinen Joey, den Sjoerd über alles liebt. Schon als Melanie schwanger war, hatte Julia den Eindruck, dass er sich merklich zurückzog.
    Heute sind sie gute Kollegen, arbeiten wunderbar zusammen, und Sjoerd behandelt sie wie eine Art Schwester.
    Ob sie will oder nicht, Julia muss sich damit abfinden. Am besten, sie sucht ihr Glück in einer anderen Beziehung. Bei Taco zum Beispiel. Aber irgendwie klappt es nicht so recht, was nicht an Taco liegt, wie sie ehrlich zugeben muss, sondern an ihr. In der Liebe ist ein Ersatzmann nun einmal keine Lösung.
    Als sie zu Hause eine Tasse Tee auf den Küchentisch gestellt und die Samstagszeitung bereitgelegt hat, sieht Julia, dass sie einen Anruf auf ihrem Handy verpasst hat.
    TACO steht auf dem Display.
    Nachdenklich betrachtet sie die vier Buchstaben, unsicher, was ihre Gefühle angeht. Ist sie erleichtert, weil er sich endlich gemeldet hat? Ja, schon. Spürt sie eine unbezwingbare Sehnsucht nach ihm? Eher nicht.
    Aber soll sie den Rest ihres Lebens Sjoerd und damit einer unmöglichen Liebe nachtrauern und deshalb keine andere Bindung eingehen? Darauf hat Julia ganz und gar keine Lust.
    Ruf zurück!, sagt sie sich.
    Sie drückt die Wahltaste und wartet.
    Kurz darauf hört sie Tacos Stimme: »Hi, Julia!«
    »Du hast angerufen.«
    »Stimmt. Aber ich hab dich nicht erreicht. Warst du bei deiner Großmutter?«
    »Vermutlich gerade auf dem Rad, auf dem Nachhauseweg.«
    »Ach so.«
    Sekundenlang ist es still, dann räuspert sich Taco:

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