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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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»Was meinst du: Wollen wir uns wieder vertragen? Ich verspreche auch, dass ich mich ab jetzt zusammenreiße.«
    Unwillkürlich grinst Julia. »Kannst du das denn?«
    »Wenn ich mir Mühe gebe … Oder du leihst mir deinen Dienstausweis, und ich beeindrucke die Leute damit. Das wär doch was.«
    Jetzt muss sie laut lachen. »Ich weiß eine einfachere Lösung: Du hast ab jetzt nur noch Augen für mich, wenn wir ausgehen.«
    »Und wenn dich irgendein Kerl belästigt?«
    »Dann ignorierst du ihn zur Abwechslung mal.«
    »Gut. Ich werd’s versuchen. Soll ich dich nachher abholen?«
    »Okay, bis dann. Tschüs.« Lächelnd beendet sie das Gespräch und geht dann nach oben, um sich umzuziehen und zu schminken. Zu ihrer Verwunderung merkt sie, dass sie dabei leise vor sich hin summt. Vielleicht ist ein Ersatzmann doch nicht so verkehrt …

20
    Sie sitzen im Wohnzimmer, in dem Weiß und verschiedene Brauntöne vorherrschen. Seit Nathalie geduscht und frische Kleider angezogen hat, fühlt sie sich bedeutend wohler. Vorhin haben sie auf der Terrasse neben dem Swimmingpool zu Abend gegessen, in noch recht angespannter Atmosphäre.
    »Ich wollte dich wirklich nicht beleidigen«, sagt Cécile nun schon zum zweiten Mal. »Dein Sohn ist total niedlich. Und er kann schließlich nichts dafür, dass Vincent so ein Schweinehund ist.«
    Nathalie nickt. Ja, Robbie ist niedlich, er kann nichts dafür, und Vincent ist ein Schweinehund … Ohne jeden Zweifel.
    Sie trinkt einen Schluck Milchkaffee. Als sie aufsieht, begegnet sie dem forschenden Blick ihrer Schwester.
    »Wie wär’s, wenn du jetzt endlich mal erzählst, weshalb du hier bist«, sagt sie. »Mit Robbie, aber ohne Vincent. Ist was passiert?«
    Mit einem Mal überfällt Nathalie eine bleierne Müdigkeit. Drei lange Jahre hat sie ihre Schwester nicht mehr gesehen, drei Jahre, in denen unendlich viel geschehen ist – aber nichts, was sie erzählen könnte. Cécile würde das alles nicht verstehen. Sie war schon immer schnell mit einem Urteil bei der Hand und hat wenig Einfühlungsvermögen. Dass es Menschen gibt, die nicht so entschlussfreudig sind wie sie selbst, kann sie einfach nicht begreifen, und sie hat Nathalie immer wieder Vorwürfe gemacht, weil sie bei Vincent blieb.
    »Wir haben Probleme.« Nathalie rührt den Milchschaum in ihrer Tasse um. »Ich brauche ein paar Tage für mich, um in Ruhe nachzudenken.«
    Sie hält den Blick gesenkt, fühlt sich wie eine Laborratte unter Beobachtung.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts. Wir haben eben Probleme – so was kommt vor.«
    Céciles abschätzige Miene lässt vermuten, dass sie ahnt, um welche Probleme es sich handelt. »Er hat dich geschlagen, stimmt’s?«
    »Nein. Wie kommst du darauf?«
    »Es würde zu ihm passen. Er ist der Typ dafür, ich kenne diese Sorte Männer.«
    »Du kennst Vincent nicht!«, braust Nathalie auf. »Und über unsere Beziehung weißt du erst recht nichts!«
    »Mag sein, aber eins weiß ich sehr wohl: nämlich dass du ihn schon vor Jahren hättest verlassen müssen. Du hättest dich gar nicht erst mit dem Kerl einlassen dürfen.« Die Stimme ihrer Schwester trieft vor Verachtung.
    »Wie kommst du dazu, mir Vorhaltungen zu machen!«, fährt Nathalie sie zornig an. »Wenn es dich gekümmert hätte, wie ich lebe, hättest du früher eingreifen müssen – viel früher! Aber du hast mich im Stich gelassen. Nach deinen Auszug hast du keinen Gedanken mehr an mich verschwendet.« Nathalie krempelt ihre Jeans hoch und zeigt Cécile eine lange Narbe an der Wade. »Da! Das habe ich Pa zu verdanken! Mit seinem Gürtel hat er mich geschlagen, die Schnalle hat mir die Haut aufgerissen. Du hättest mich wegholen oder zumindest dafür sorgen müssen, dass das Jugendamt eingreift. Mit welchem Recht machst du mir jetzt Vorwürfe?«
    Cécile stützt den Ellbogen auf die Sessellehne und legt den Kopf in die Hand. »Wie lange willst noch auf dieser Sache herumreiten? Darüber haben wir wahrhaftig zur Genüge geredet. Ich hatte doch keine Ahnung, dass er dich schlug. Du warst sein Liebling, sein Prinzesschen.«
    »War ich, aber nur bis zur Pubertät! Was dann kam, hast du nicht mitbekommen. Weil du dir in Amsterdam ein schönes Leben gemacht hast!«
    »Du hättest etwas sagen können.«
    »Ach ja? Und wann? Wenn du einmal im Jahr angerufen hast?«, ereifert sich Nathalie.
    »Natürlich. Woher hätte ich sonst wissen sollen, wie schlimm es für dich war? Dass du dir ab und zu mal eine Ohrfeige einfängst, hatte ich

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