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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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und geht durch das Viertel. Vincent kennt hier jede Menge Leute, weil er in Donderberg aufgewachsen ist. Es dürfte nicht lange dauern, bis einer seiner Bekannten sie sieht und ihm Bescheid gibt.
    In der Imbissstube am Park bestellt sie eine Portion Pommes mit Ketchup und setzt sich an einen Tisch, den Blick auf die Bachstraat gerichtet, wo Kristien und Ruud wohnten. Als sie sich vorstellt, was sich dort vor Kurzem abgespielt hat, wird ihr flau im Magen.
    Scheinbar ohne auf die Leute zu achten, die hereinkommen, an der Theke ihre Bestellung aufgeben oder sich am Spielautomaten vergnügen, isst sie in aller Ruhe ihre Pommes.
    Als sie sich nach einer halben Stunde wieder zur Bushaltestelle aufmacht, braucht sie sich nicht erst umzudrehen, um sich sicher zu sein, dass ihr jemand folgt.
    Im Bus überlegt sie, wie lange es wohl dauern wird, bis Vincent vor ihr steht, und diese Vorstellung jagt ihr – bei aller Entschlossenheit – doch kalte Schauder über den Rücken. Aber es muss sein. Sie kann es einfach nicht länger ertragen, sich ständig vor ihm verstecken zu müssen.
    Die sonnenbeschienene Landschaft zieht an ihr vorbei, als sie plötzlich eine innere Unruhe verspürt, die sie sich zunächst nicht erklären kann. Erst als der Bus über die Rur-Brücke fährt und sie rechter Hand die Türme der Basilika von Sint Odilienberg aufragen sieht, hat sie so eine unheimliche Vorahnung.
    Robbie!
    Nathalie springt auf, läuft zur Tür und drückt wie besessen auf den Halteknopf, als könnte sie die Fahrt dadurch beschleunigen.
    Als der Bus am Kirchplatz angehalten hat, hastet sie die zwei Stufen hinab und rennt los.
    Keuchend erreicht sie Emmas Haus.
    Keine zwielichtige Gestalt lungert dort herum, die Haustür steht nicht sperrangelweit offen – alles scheint in Ordnung zu sein.
    Dennoch klopft ihr das Herz bis zum Hals. Sie nimmt den Hausschlüssel, den Emma Vriens ihr gegeben hat, aus der Tasche und schließt auf. Vorsichtig geht sie durch den Flur und sieht, dass die Tür zu ihrem Zimmer halb offen steht. Sie nimmt die Pistole aus der Handtasche, schleicht näher und späht in den Raum.
    Niemand.
    Erst ist sie erleichtert, doch dann sieht sie, dass Robbie nicht in seinem Bettchen liegt.
    »Robbie!«
    Sie stürmt in den Flur, reißt die Küchentür auf, ruft nach Frau Vriens.
    Keine Antwort.
    Auch das Wohnzimmer ist leer, keine Spur von ihr und dem Kind.
    Wieder ruft sie, dann hört sie plötzlich Schritte über sich.
    Das Blut stockt ihr in den Adern.
    Mit der Pistole im Anschlag geht sie langsam die Treppe hinauf.
    Jetzt ist es oben vollkommen still, aber sie ist ganz sicher, dass da vorher etwas war. Jemand ist oben, jemand, der Robbie an sich genommen hat. Vincent – wer sonst?
    Lautlos schleicht Nathalie die letzten Stufen hinauf. Ihr Herz pocht so laut, dass es in ihren Adern dröhnt.
    Im oberen Flur ist es leicht dämmrig, nur durch ein schmales Dachfenster, eine Luke fast, fällt Licht herein.
    Ihr Blick gleitet über die drei Türen. Wohin jetzt? Und vor allem: Was soll sie tun, wenn sie sich Vincent urplötzlich Auge in Auge gegenübersieht? Ihn erschießen – eine andere Wahl wird ihr kaum bleiben. Sie hofft, dass man ihr abnimmt, dass sie in Notwehr gehandelt hat, zumal er ja eingebrochen ist und das Baby entführen wollte.
    Nathalie hat bereits die Hand nach der Klinke der ersten Tür ausgestreckt, als sie ein Geräusch hört, das sie nur zu gut kennt.
    Es trifft sie wie ein elektrischer Schlag.
    Robbies Glucksen – kein Zweifel!
    Sie hebt die Pistole, drückt die Klinke herunter, stößt die Tür auf und sieht Robbie auf einem Tisch liegen und mit den nackten Beinchen strampeln.
    Emma, die sich über das Kind gebeugt hat, fährt herum.
    »Nathalie!« Sie greift sich ans Herz und ringt nach Luft. »Meine Güte! Haben Sie mich erschreckt! Ist was passiert?«
    Dann erst sieht sie die Pistole und wird blass.
    »Um Himmels willen, was hat das zu bedeuten?«
    Rasch versteckt Nathalie die Waffe hinter ihrem Rücken.
    »Robbie war nicht in seinem Bettchen«, sagt sie. »Da dachte ich, jemand hat … hat … Und dann kamen von oben Geräusche …« Unter Emmas strengem Blick gerät sie ins Stottern.
    »Warum haben Sie eine Pistole?«
    »Ich muss mich doch verteidigen können, falls mein Ex auftaucht.«
    Emma runzelt die Stirn, wendet sich wieder dem Baby zu und schiebt eine frische Windel unter seinen Po.
    »Das Kind hat furchtbar geschrien, da hab ich es geholt, weil ich hier oben am Räumen war. Es

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