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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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herauszukommen!«
    »Das könnte euch so passen«, murmelt sie und nimmt eine Schachtel Streichhölzer aus einer Schublade.
    Im nächsten Moment klingelt das Telefon im Wohnzimmer.
    Nathalie zuckt zusammen.
    So gut wie niemand kennt die Nummer. Nur Vincent könnte anrufen …
    Zögernd nimmt sie ab.
    »Ja?«
    »Dagmar, sind Sie das?« Eine unbekannte Frauenstimme.
    »Ich heiße Nathalie.«
    »Gut, dann eben Nathalie. Hier spricht Louise Commandeur.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin von der Polizei und möchte mit Ihnen reden.«
    »Polizei?«
    »Genau«, sagt Louise.
    Nathalie fährt sich über die Stirn. Der penetrante Benzingeruch verursacht ihr bereits Kopfschmerzen.
    »Ich hab keine Zeit zum Reden.«
    »Es dauert nicht lange.«
    »Was wollen Sie von mir? Ich kenne Sie nicht. Bei der Polizei kenne ich nur Julia.«
    Einen Moment lang herrscht Stille am anderen Ende, dann fragt die Frau: »Möchten Sie lieber mit Julia sprechen?«
    »Nein, mit niemandem.«
    Sie will schon auflegen, als sie Julias Stimme hört.
    »Hallo, Nathalie. Ich bin’s. Alles in Ordnung?«
    Weil Julia immer nett zu ihr war, entschließt sie sich zu einer Antwort: »Ja. mir geht’s gut.«
    »Und Robbie? Ist er bei Ihnen?«
    »Natürlich ist er bei mir. Wo sonst? Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ihre Kinder ohne Aufsicht lassen.«
    »Schön. Und ist der Kleine okay?«
    »Warum nicht? Ich kümmere mich doch um ihn.«
    »Stimmt, Sie machen das großartig. Ich hab es ja selber erlebt. Aber Ihnen ist sicherlich auch klar, dass er nicht auf Dauer bei Ihnen bleiben kann. Irgendwann muss er wieder zurück zu seinen Eltern.«
    Nathalie lehnt sich an den Türrahmen und sieht zu, wie Robbie in seinem Babystuhl mit einem Plastik-Schlüsselbund spielt.
    »Ich wüsste nicht, warum«, sagt sie dann.
    Wieder ist es kurz still, und als Julia weiterredet, klingt ihre Stimme leise und eindringlich: »Weil er zu ihnen gehört. Weil sie ihn lieben und er ihnen fehlt …«
    »Ich liebe ihn auch. Und mir würde er genauso fehlen.«
    Ein Seufzer ertönt am anderen Ende der Leitung. »Ich weiß. Wir alle wissen, dass Sie Luna – ich meine, Robbie – nie etwas antun wollten. Das spricht auf jeden Fall für Sie, Nathalie. Wenn Sie uns Robbie jetzt übergeben, ist viel gewonnen. Sie beweisen damit, dass Sie sein Bestes im Sinn haben und nur deshalb mit ihm geflohen sind, weil sie ihn vor Vincent schützen wollten. Das wird vor Gericht auf jeden Fall berücksichtigt.«
    Nathalie hört kaum zu, beobachtet das nach wie vor spielende Kind.
    »Sie hat es darauf angelegt«, sagt sie nach einer kurzen Pause. »Ich habe ihr gesagt, dass ich Robbie hole. Sie hat versprochen zu warten und nichts zu unternehmen. Aber als ich nachgesehen habe, hat sie eine SMS getippt. Sie hat riskiert, dass Robbie etwas zustößt.«
    »Ich glaube eher, sie war sicher, dass Sie dem Kind nichts tun würden. Wir wissen, dass Sie eine schwere Kindheit hatten, Nathalie, dass Ihre Mutter und Ihr Bruder verunglückt sind und wie es weiterging. Später hatten Sie dann das Pech, an Vincent hängen zu bleiben.«
    Mit einem Mal fühlt Nathalie sich so müde, dass sie sich setzen muss. Sie lässt sich am Türrahmen entlang auf den Fußboden gleiten.
    »Das war kein Pech. Vincent war gut zu mir.«
    »Anfangs ja. Aber nun geht es nicht um ihn, sondern um Sie und Robbie. Ich werde mich für Sie einsetzen, das verspreche ich. Bitte, kommen Sie jetzt raus.«
    Vielleicht ist es Julias freundlicher, verständnisvoller Tonfall, vielleicht auch die Aussichtslosigkeit ihrer Lage – jedenfalls kommen Nathalie die Tränen, und sie versucht gar nicht erst, sie zurückzudrängen.
    »Sie müssten mich eigentlich hassen.«
    »Aber nein. Warum sollte ich?«
    »Weil Sie mir helfen wollten und ich es Ihnen schlecht gedankt habe. Ich meine das mit Ihrer Großmutter. Ich wollte das nicht, wirklich nicht, aber plötzlich war es passiert. Als wäre eine andere in meine Haut geschlüpft.«
    Da Julia schweigt, fragt Nathalie schließlich, ob sie noch dran sei.
    »Doch … ja … Ich war nur kurz … Ich bin mir nicht sicher, was Sie meinen. Waren Sie denn dabei, als meine Oma gestürzt ist?«
    »Ja. Erst wollte ich sie festhalten, doch dann hab ich sie plötzlich gestoßen. Ohne dass ich es vorhatte. Es ist meine Schuld, dass sie die Treppe hinuntergefallen ist. Und das bedrückt mich. Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen, aber es musste einfach raus. Nun wollen Sie sich bestimmt nicht mehr für mich einsetzen. Aber

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