Am Helllichten Tag
Chance.
Aufs Äußerste angespannt fährt sie langsam auf das Haus zu, bereit, sofort zu wenden, wenn ihr etwas Verdächtiges auffällt. Doch es scheint alles in Ordnung zu sein.
Sie steigt aus und nimmt Robbie aus dem Kindersitz. Vor Nervosität zittert ihre Hand, als sie die Haustür aufschließt.
Innen legt sie rasch den Riegel vor, bevor sie Robbie im Wohnzimmer auf den Boden setzt, wo er sofort auf eine Steckdose zukrabbelt.
Sie nimmt ihn wieder hoch und setzt ihn in seinen Babystuhl.
Der Gestank von Nicos Leiche, die sie bisher nicht ange rührt hat, wird fast unerträglich. Sie beschließt, den Geruch ein fach zu ignorieren; lange wird sie sich ohnehin nicht mehr hier aufhalten.
Nathalie geht in die Küche und stellt den kleinen Fernseher an. Während sie eine einfache Mahlzeit zubereitet, zappt sie durch die Programme, bis sie einen Nachrichtensender gefunden hat.
Es dauert nicht lange, und sie sieht ihr Foto auf dem Bildschirm, darunter einen Fahndungsaufruf. Auch Lunas Name fällt, ihr Foto ist ebenfalls zu sehen, und am Ende wird das Kennzeichen von Nicos BMW eingeblendet.
Den Wagen kann sie also vergessen. Wo sie sich aufhält, scheint die Polizei allerdings noch nicht zu wissen.
Sie beschließt, sich abends, wenn es dunkel ist, auf den Weg zu machen. Das erste Stück zu Fuß, dann wird sie weitersehen.
Nathalie bemüht sich, ruhig zu bleiben; sie rührt die Tomatensoße um, gibt Gewürze dazu und schafft es tatsächlich, die Nudeln abzugießen, ohne sich an dem heißen Wasser zu verbrühen. Sie will nicht mit leerem Magen aufbrechen, denn unterwegs wird sie so schnell keine Gelegenheit haben, etwas zu essen.
Sie setzt sich an den Küchentisch, isst ihre Nudeln und füttert Robbie mit warmem Gemüsebrei.
Dann nimmt sie ihn mit nach oben und beginnt zu packen.
41
»Es gibt eine neue Entwicklung«, beginnt Ramakers. Er hat seine Leute zu einer Lagebesprechung in sein Büro gebeten.
Ständig klickt er mit seinem Kugelschreiber, was Julia so irritiert, dass sie sich nur mit Mühe eine Bemerkung verkneifen kann.
»Dagmar Dalhuijs hat die Mutter des Kindes in einem Venloer Einkaufszentrum angesprochen. Dabei ist es Ilse van Meerdonk gelungen, ihr den als Handy getarnten Sender zu geben. Auf diese Weise konnten wir die Gesuchte zunächst orten, doch dann scheint sie etwas gemerkt zu haben und hat sich des Geräts entledigt. Das heißt, dass wir ihre Spur leider verloren haben. Trotzdem wissen wir nun ein wenig mehr.«
Er sieht seine Mitarbeiter nacheinander an, so als wolle er sich ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit versichern.
»Die Überwachungskameras im Einkaufszentrum haben die Begegnung zwischen Dagmar Dalhuijs und Frau van Meerdonk aufgezeichnet. Erstere trägt auf den Bildern eine blonde Perücke. Auf dem Parkplatz ist sie dann in einen roten BMW gestiegen. Ein Mann, der die Polizei in Venlo benachrichtigt hat, weil in dem Wagen ein Kind eingeschlossen war und erbärmlich schrie, hatte sich das Kennzeichen notiert. Das Auto ist auf einen gewissen Nico Santemaker zugelassen, der als Arzt in Amsterdam tätig ist und seit ein paar Tagen vermisst wird. Santemaker ist unseren Recherchen zufolge noch nie mit der Polizei in Berührung gekommen. Fragt sich nur, wo er sich momentan aufhält und vor allem, was er mit Dagmar Dalhuijs zu tun hat.«
Er nickt Ari und Koenraad zu. »Würden Sie beide gleich mal unseren Freund van Assendelft dazu befragen?«
Julia hebt die Hand, aber Ramakers bedeutet ihr mit einer Geste zu schweigen. Frustriert lehnt sie sich zurück und tauscht einen Blick mit Sjoerd.
»Das wird nicht viel bringen«, meint dieser. »Bisher war er nicht gerade gesprächig, und seit er mit seinem Anwalt geredet hat, sagt er überhaupt nichts mehr.«
»Das wird sich jetzt ändern«, meint Ramakers trocken. »Wir haben nämlich das Messer, das er bei sich hatte, untersuchen lassen. Auf den ersten Blick wirkte es sauber, aber als die Tech niker es auseinandernahmen, haben sie Blutreste am Übergang zwischen Klinge und Heft gefunden. Das Blut wurde untersucht. Es stammt von zwei verschiedenen Personen, und zwar von Dagmars Schwester Cécile Dalhuijs und von ihrem Schwager, Edwin Vermeer, wie wir dank unserer engen Zusammenarbeit mit der italienischen Polizei inzwischen wissen. Also können wir van Assendelft zumindest versuchten Mord vorwerfen.«
»Zumindest?«, wiederholt Ari.
»Genau, denn unsere Ballistiker haben herausgefunden, dass die Kugeln, mit denen Kristien Moors und Ruud
Weitere Kostenlose Bücher