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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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Hexenjagd der Feuersbrunst heraufbeschworen, formten die Flammen einen Herzschlag lang eine weißglühende Sylphe, verkrümmt wie ein altes Weib. Cailleach . Der Tod. Es war ein Trick des Feuers – Luft von Hitze verzerrt. Rhia war zu alt für solche Geschichten. Sie hatte den alten Hexen, Zauberinnen und nebelhaften Kreaturen den Rücken gekehrt. Und den Geistern. Sie schloss die Augen und öffnete sie dann wieder. Nichts als Flammen.
    Dann sah sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch es gab nur eine. Also biss sie dem Polizisten in die Hand, die so sauer schmeckte, wie er aussah. Lautstark jaulte er auf und holte mit der anderen Hand aus, wagte es dann aber nicht, sie zu schlagen. Immerhin bestand ein gewisses Risiko, dass sie tatsächlich Connor Mahoneys Tochter war. Er verstärkte seinen Griff um ihr Handgelenk, so dass Rhia zusammenzuckte.
    »Ist deine Mutter nicht da?« Der Polizist beobachtete sie scharf. Hielt er sie tatsächlich für eine Zigeunerin? Und wenn dem so war, warum ließ er sie nicht einfach laufen? Weil sie vielleicht doch Connor Mahoneys Tochter war.
    »Sie ist nicht in Dublin.« In Greystones waren die Mieten fällig, und weitere Weber steckten in Schwierigkeiten. Brigit Mahoneys flinke, wohltätige Hand an der Spindel konnte die Weber vielleicht nicht retten, aber trotz der Missbilligung ihres Mannes würde sie nicht einfach danebenstehen und zusehen, wie eine weitere Familie gewaltsam vertrieben wurde. Der mechanische Webstuhl war der Stolz von Belfast, aber für die Lohnarbeiter in Greystones war er gleichbedeutend mit dem Einmarsch des Feindes.
    Plötzlich fiel Rhia Tom wieder ein. Er würde ihr helfen und dem Polizisten erklären, wer sie war. Hoffnungsvoll suchte ihr Blick die Menge ab, doch ihr Mut sank, als sie ihn entdeckte. Tom hatte sich ganz in der Nähe zu einer Gruppe von Schaulustigen gesellt, die eine Schnapsflasche herumgehen ließen. Das Feuer hatte eine beträchtliche Menge aus den ärmlichen Mietshäusern wie auch vom gegenüberliegenden Ufer angezogen. Es war ein Spektakel.
    »Billiger als der Zirkus«, kommentierte der Polizist, der ihrem Blick gefolgt war.
    Der Gestank von verkohltem Tuch hing in der Luft. Rhia fiel wieder ein, wie Mamo ihr erzählt hatte, dass man früher Leinenlumpen als Zunder verwendet hatte, weil sie so gut brannten. Hitze und Rauch füllten ihre Lungen. Ihre Knochen fühlten sich hohl an, als wären sie wie die großen Balken des Lagerhauses dem Feuerdrachen zum Opfer gefallen. Plötzlich fiel ihr auf, dass die Vertreter der Versicherung noch nirgends zu sehen waren. Sie stieß den Polizisten mit dem Ellbogen an, der die Augen zusammenkniff. »Wo sind die Feuerwehrmänner?«, wollte sie wissen.
    »Sind heimgegangen.«
    Rhia war völlig verwirrt. »Warum?«
    »Das Gebäude ist nicht versichert.«
    »Das Gebäude ist versichert.«
    Er zuckte mit den Schultern. Sein Blick verriet, dass sie ihn lieber nicht ein zweites Mal beißen sollte.
    Das war unmöglich. Ihr Vater war überaus gewissenhaft, regelrecht penibel . Er würde niemals vergessen, seine Versicherungsraten zu bezahlen. Rhia schüttelte ungläubig den Kopf.
    Die Zeit verging. Irgendwann lockerte der Polizist seinen schraubstockartigen Griff ein wenig, so dass seine schmutzigen Fingernägel sich nicht mehr in ihr Handgelenk bohrten. Erneut versuchte Rhia, ihren Arm zu befreien, doch er packte sofort wieder fester zu.
    Sie starrte vor sich hin und wartete, als hinge das Leben ihres Vaters davon ab, dass sie ihren Blick nicht von den Flammen abwandte. Dieses Mal war sie sich sicher, die Hexe Cailleach gesehen zu haben. Die Haare der Alten waren aus loderndem Flachs, und sie zog ihr feuriges Kleid wie den Schwanz eines Drachens durch die Ruine hinter sich her. Sie war schrecklich und wunderschön zugleich: Ihr Gesicht so weiß wie Asche und ihre Lippen rot wie Glut. War sie gekommen, um Connor Mahoney mitzunehmen?
    »Bring ihn raus oder … « Oder was? Welche Verhandlungsposition hatte sie schon dem Tod gegenüber? Sollte sie drohen, sonst einen Katholiken zu heiraten? Das hätte sie beinahe getan.
    Der Polizist sah sie an. Vielleicht hatte sie laut gesprochen? Die Gestalt verschwand in den Flammen und ließ Rhia zurück, die heiße Tränen wegblinzelte.
    Die Hitze ließ langsam nach, und auch die Flammen beruhigten sich. Ebenso plötzlich verzog sich die Dunkelheit, jedenfalls schien es so, und die rauchende Ruine wurde sichtbar. Das Lagerhaus, das gestern noch unverrückbar und fest

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