Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
gelagert wurden, hin und her. Das Haar fiel ihm über die Brille, und seine Wangen glühten. Ganz offensichtlich war er noch nicht fertig mit ihr. »Du hättest schon vor Jahren heiraten sollen, und jetzt weiß ich wirklich nicht, ob dich noch jemand will.«
Diese Überlegung hatte auch Rhia bereits angestellt.
Er blieb mit dem Rücken zu ihr stehen und sprach zu den Tuchballen. »William O’Donahue ist ein angesehener und erfolgreicher Kaufmann. Er wäre ein großer Gewinn für diese Familie – dieses Geschäft – gewesen.«
Rhia zuckte zusammen. Zum Teufel mit ihrer Zurückhaltung. »Ach, darum geht es? Ums Geschäft? William ist ein Langweiler, der sich nicht traut, eine Frau zu heiraten, die ihren eigenen Kopf hat. Ich bin froh , dass ich ihm nicht jeden Tag ins Gesicht sehen muss.«
Ihr Vater fuhr herum und funkelte sie an, wobei seine Augen vor Wut zu schmalen Schlitzen wurden. »Du bist dreist und schamlos! Ich habe dich nicht dazu erzogen, irgendwelche Meinungen zu haben, Rhia. Und wenn nicht … wenn nicht die Familie deiner … Mutter gewesen wäre, dann wärst du so wie jedes andere anständige Mädchen hier in Dublin. Stattdessen liest du die Zeitung und läufst durch die Stadt wie eine Milchmagd. Jetzt wird mir klar, dass du Mr O’Donahue absichtlich beleidigt hast, damit er gezwungen ist, die Verlobung zu lösen. Was hast du verdammt noch mal zu ihm gesagt?«
»Das stimmt nicht! So etwas würde ich nicht tun. Ich habe ihm nur erzählt, was in dem Winter in Greystones passiert ist, als Michael Kelly verhaftet wurde.«
Connor Mahoney schwieg lange. Als er wieder zu sprechen begann, war er nahezu heiser. »Du hast ihm also mitgeteilt, dass du diesen Webern geholfen und damit dafür gesorgt hast, dass ein protestantischer Grundherr wie ein Lump dastand?«
Rhia sah ihm in die Augen. Sie hatte nichts Unrechtes getan. Sie hatte lediglich so gehandelt, wie es jeder mit einem Funken Mitleid getan hätte. Man hätte Weber hinausgeworfen, weil sie ihre Miete nicht zahlen konnten, obwohl es mitten im Winter war. Sie wären vielleicht verhungert und mit Sicherheit erfroren. Rhia hatte sie zu Mamos Cottage gebracht. Kurz darauf hatten Michael Kellys Jungs eine Ladung Tee abgefackelt, die demselben Grundherrn gehört hatte, einem Teehändler. Dieser schnappte sich Michael, der ihm daraufhin die Nase brach. Und Michael wurde deportiert.
Connor Mahoney schwieg. Sie hatte ihm noch nicht geantwortet. »Ja, das habe ich ihm erzählt«, sagte sie schließlich leise.
»Törichtes Kind! O’Donahue ist ein Geschäftspartner des Mannes, den Michael Kelly angegriffen hat.«
»Noch ein Grund, ihn nicht zu heiraten.«
»Du bist ein … ein Teufel im Unterkleid.« Er hieb mit der flachen Hand krachend auf den Tisch.
»Und du bist ein verdammter Tyrann! Ich hätte Thomas Kelly heiraten sollen, der liebt mich wenigstens.« Jedenfalls hatte er das einmal getan.
»Du wirst dich nicht mit einem Weber einlassen!« Er ging mit großen Schritten zur Tür und blieb mit der Hand auf dem Knauf noch einmal stehen, jedoch ohne sie anzusehen. »Wir werden das weiterbesprechen, wenn deine Mutter zurückgekehrt ist. Richte Hannah aus, dass ich im Club essen werde.«
Damit verließ er das Zimmer.
»Ich bin kein Kind!«, rief ihm Rhia hinterher. Zitternd vor Wut und mit geballten Fäusten stand sie da. Als sie hörte, wie die Haustür geschlossen wurde, sank sie auf das Chesterfield-Sofa. Sie fühlte sich trotzdem wie ein Kind. Er hatte recht. Sie sollte längst verheiratet sein. William O’Donahue stammte aus Belfast, und er hatte keine Ahnung von ihrem Ruf gehabt, ehe sie sich begegnet waren. Und jetzt hatte sie ihn vergrault.
Hannah klopfte an, ehe sie eintrat. Vermutlich hatte sie alles mitgehört, selbst wenn sie nicht an der Tür gelauscht hatte. Ihre Miene verriet ihr Mitgefühl, und sie betrieb einen größeren Aufwand als nötig, als sie das Feuer schürte und die Lampen entzündete. »Wollen Sie hier zu Abend essen, Miss?«
»Ich bin ein Teufel im Unterkleid, Hannah.«
Hannah lachte in sich hinein. »Also, so was hab ich auch noch nicht gehört. Er hat wirklich schlechte Laune.«
»Er ist seit Monaten schlecht gelaunt. Die Geschäfte gehen nicht gut. Letztes Jahr um diese Zeit hätten wir niemals den Verkaufsraum einen ganzen Tag geschlossen. Und jetzt habe ich den einzigen Mann in ganz Dublin verschreckt, der mich vielleicht geheiratet hätte.«
»Ich werde Tilly sagen, sie soll Klöße machen.« Hannah eilte
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