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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Gabriel?«
    Sein Bruder nickte zustimmend.
    »Ja, und wir kommen mit einem maurischen Schatz zurück«, erklärte der Kleine mit einem breiten Lächeln.
    »Ihr armen Kinder!«, rief eine andere Frau.
    »Sie sind schon Männer«, brachte ihnen Daniel in Erinnerung.
    »Wir kommen zurück!«, wiederholte Joan zum Abschied, doch die Gesichter der Dorfbewohner bekundeten ihren Zweifel.
    Alle kamen am Strand zusammen, an derselben Stelle, wo man früher die
Möwe
, dieses verlorene Sinnbild ihrer Freiheit, an Land gezogen hatte. Der Tag war wolkenverhangen, das Meer kräuselte sich etwas, und es blies ein sanfter Westwind, ideal zum Segeln. Die Nachbarn blieben am Strand stehen. Sie winkten ihnen nach und wünschten Glück, bis sie das Schiff aus den Augen verloren.
     
     
    »Ich freue mich, dass ihr Fischer seid«, sagte der Kapitän zu den Jungen, womit er sie auf seinem Schiff willkommen hieß. »Dann macht ihr mir wenigstens nicht das Deck mit Erbrochenem schmutzig.«
    Das Schiff war eine Art Feluke. Es hatte genügend Raum für sechs Personen und die Waren, die es beförderte. Der Schiffsführer war ein dürrer und schlechtgelaunter alter Mann. Er hieß Ferrán, redete wenig, und wenn er es tat, so nur deshalb, um den Seemann, der unter ihm diente, mit groben Worten und Ausdrücken zu beschimpfen, die den Administrator von Palafrugell zum Erröten gebracht hätten, wenn er sie gehört hätte. Aber man merkte, dass er seinen Beruf kannte.
    Mosén Bartomeu Sastre, der Kaufmann, dem sie vom Administrator übergeben wurden, war das ganze Gegenteil des Seemanns. Er war ungefähr dreißig, großgewachsen, gutaussehend, mit dunklen Augen, einer Adlernase, dem scharfen Blick eines Raubvogels und einem ungezwungenen Lächeln. Sein Haar war schulterlang, sein Gesicht glattrasiert. Joan beobachtete ihn neugierig. Im Dorf rasierte sich kein Mann, und in Palafrugell taten es nur der Administrator und zwei andere. Sein Haar war nicht so kurz wie das eines Mannes und auch nicht so lang wie das einer Frau. Außerdem sprach er auf sonderbare Weise, so dass sie ihn kaum verstehen konnten. Trotzdem war er liebenswürdig und sagte ihnen, wo sie ihre Bündel unterbringen und wo sie sich im Schiff hinsetzen konnten.
    Der Kaufmann wartete, bis die Kleinen ihren Platz eingenommen hatten, und unterhielt sich dann mit ihnen. Sobald sie Vertrauen zu ihm gefasst hatten, erzählten sie ihm ihre Geschichte. Joan merkte, dass der Mann von einigen Stellen ihres Berichts ergriffen war, obwohl er es zu verbergen versuchte.
    »Also sind die Sarazenen zurückgekehrt?«, fragte der Schiffsführer erstaunt nach, als ihm Bartomeu davon erzählte.
    »Ja, sie haben das Dorf dieser Kinder geplündert, ihren Vater getötet und viele Gefangene verschleppt.«
    »Die Sarazenen?«, fragte der Seemann wieder.
    »Ja«, bestätigte Joan.
    »Wie sonderbar«, sagte der Alte. »Seit langem haben wir nichts von ihnen gehört. Von Genuesen und Franzosen, das ja, aber nicht von Mauren. Bist du sicher, dass es Mauren waren?«
    »Ja, ganz bestimmt.«
    Der Mann verstummte und ging, um eine Segelleine festzuzurren. Dazu murmelte er etwas zwischen den Zähnen.
    »Woher weißt du das denn so genau?«, fragte der Schiffsführer nach einer Weile wieder.
    »Sie trugen Turbane, und Bruder Dionís, der Administrator, hat gesagt, es seien Sarazenen.«
    »Der Administrator? Kein Wunder!« Der Schiffsführer spuckte verächtlich über den Bordrand.

10
    B artomeus Aussehen, seine elegante Art, sich zu bewegen, die Kleidung, der Haarschnitt und das glattrasierte Gesicht überraschten die Kinder. Vor allem Gabriel beobachtete ihn mit einem Lächeln, und er gab sich keine Mühe, es zu verbergen.
    »Hast du gemerkt?«, sagte er lachend zu seinem Bruder. »Er trägt Handschuhe! Hast du schon mal jemanden gesehen, der Handschuhe auf einem Schiff trägt? Auf einem Schiff! Eine ungeheure Dummheit! Und dabei ist es noch nicht einmal kalt.«
    Vor der Tragödie war Gabriel ein fröhliches Kind gewesen, das viel lachte. Seit damals war es nun das erste Mal, dass er wieder so ausgelassen war, und Joan freute sich darüber.
    »Das ist wirklich ein komischer Kerl!«, gab er zu und stimmte in das Lachen seines Bruders ein.
    »Wie der den feinen Mann spielt!«, sagte Gabriel weiter.
    Er stellte sich hinter den Kaufmann und begann, seine Bewegungen zu imitieren, ohne dass dieser es merkte. Joan lachte, als er es sah. Der Kapitän stand am Ruder des Schiffs, hinter Gabriel. Ohne ein Wort zu sagen kam er

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