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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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die gefangenen Frauen und bringen einen Maurenschatz zurück, genauso wie unser Vorfahr, der als Almogávar gekämpft hat.«
    Das ließ Tomás lächeln. Seine blauen Augen glänzten, und ein Leuchten breitete sich über sein abgemagertes Gesicht aus.
     
     
    Dieses Abendessen sollte etwas Besonderes sein. Joan hatte einen Fisch von beträchtlicher Größe geangelt, und er briet ihn auf dem Rost. Sie hatten etwas Brot von einer Nachbarin bekommen, ein paar ziemlich harte Kräuter, die aber essbar waren, wenn man sie kochte, und mehrere Kastanien. Es war ein richtiges Festmahl, und der Junge verbrachte den ganzen Nachmittag mit den Vorbereitungen für das Essen. Tomás und sein Bruder sollten sich freuen. Er wollte sehen, wie sie lächelten. Doch die Nacht brach herein, und Tomás war immer noch nicht da. Joan schickte Gabriel los, ihn zu suchen, für den Fall, dass er sich bei einem Nachbarn verspätet hatte. Aber Gabriel kam zurück, ohne dass er ihn gefunden hatte.
    »Wo mag er nur sein?«, fragte Gabriel unruhig.
    »Er hat sich gewiss aufhalten lassen. Mach dir keine Sorgen. Der Mond scheint, und er wird den Weg schon finden. Fangen wir an.«
    Nach dem Abendessen legten sie sich auf den Strohsack, doch Joan war sehr aufgeregt und konnte keine Ruhe finden. Auf einmal fiel ihm blitzartig etwas ein. Bevor er sich rührte, versicherte er sich, dass Gabriel schlief. Dann zog er sich an und ging in die Nacht hinaus.
    Ein schmaler Mond im abnehmenden Viertel stand mitten am sternenübersäten Himmel. Ein eisiger Windstoß ließ ihn erschauern. Er zögerte. Er wagte es nicht, Tomás’ Haus zu betreten. Es war der einzige Ort, an dem er noch nicht nach ihm gesucht hatte, und ihn quälte eine Vorahnung. Er machte ein paar schnelle Schritte und stieß die Tür auf. Sie öffnete sich quietschend. Draußen erhellten der Mond und die Sterne die Nacht, doch im Innern gab es nur Dunkelheit.
    »Tomás«, sagte er halblaut.
    Es kam keine Antwort. Joan rief wieder nach ihm, diesmal lauter. Am liebsten wäre er wieder weggerannt, als er keine Antwort bekam, doch seine innere Stimme riet ihm zu bleiben.
    Er tastete sich ein paar Schritte vor, bis er an den Tisch stieß und einen Schemel berührte. Die Tür stand immer noch offen. Etwas Helligkeit drang herein und half ihm, sich zu orientieren. Er durchquerte die Hütte in Richtung der Schlafstätten. Vielleicht war Tomás dort und schlief. Mit der Fußspitze berührte er den Strohsack, während sein Körper an etwas stieß, das sich bewegte. Er schrie auf. Das Etwas pendelte hin und her, und als er danach griff, fühlte es sich kalt und starr an. Es erinnerte ihn an den Körper seines Vaters, bevor er sich von ihm in der Hütte verabschiedet hatte. Da wusste er, dass es Tomás war. Entsetzt rannte Joan hinaus, um Daniel zu wecken.
    Im Licht einer Öllampe sahen sie, wie Tomás’ hagerer Körper über dem Strohsack, auf dem er immer mit seiner Frau geschlafen hatte, an einem Balken hing. Noch schaukelte er durch den Zusammenstoß mit Joan sanft hin und her.
    Bruder Dionís verbot, Tomás auf dem kleinen Dorffriedhof zu beerdigen. Er war ein Exkommunizierter und ein Selbstmörder: Seine Seele war für alle Ewigkeit zur Hölle verdammt, und auf seinen Körper wartete das Verhängnis, in irgendeinem unzugänglichen Winkel zu verfaulen, wo ihn die Raubtiere zerfleischen würden. Joan stieg zur Sankt-Sebastians-Einsiedelei hoch, um dem Eremiten seine Bitte vorzutragen.
    »Tomás war ein guter Mensch. Nie hat er jemandem geschadet. Er hat allen geholfen, wenn er konnte. Er hat meinen Bruder und mich aufgenommen, als wir unsere Eltern verloren hatten.« Tränen strömten ihm in die Augen. »Bitte, begrabt ihn in der heiligen Erde der Einsiedelei.«
    »Das weiß ich, Sohn«, antwortete der Mann und strich sich über den weißen Bart. »Das weiß ich. Aber für Selbstmörder gibt es ein Gesetz – dasselbe wie für Exkommunizierte. Es ist das Gesetz der Kirche, und wie alle anderen muss auch ich es befolgen.«
    »Seine einzige Sünde war, dass er geliebt hat. Er hat seine Familie so sehr geliebt, dass er es nicht ertragen konnte, sie zu verlieren«, drängte der Junge weiter. »Der liebe Gott muss ihm vergeben, weil er in seinem Leben nichts getan hat, um eine solche Strafe zu verdienen.«
    »Das weiß ich. Ich weiß, dass er ein guter Mensch war«, murmelte der Eremit. »Er hat alle Gottesdienste besucht. Seine Frau hat mir immer Essen gebracht. Nie habe ich etwas Schlechtes über ihn

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