Am Horizont die Freiheit
benötige, höchst zerbrechlich sei. Sie habe einen wunderschönen Klang, und alle, inner- und außerhalb der Zunft, staunten darüber. Er schickte dem Ehepaar ein kleines Silberglöckchen, das er gegossen und mit ihren Namen versehen hatte.
Bartomeu gratulierte ihm in einem Brief und bekannte, nur jemand, der so hartnäckig sei wie er, hätte Anna am Ende gewinnen können. Wie er erklärte, habe er seinen Freund Pere Roig in einem weiteren Brief beglückwünscht, weil er keinen besseren Schwiegersohn hätte finden können. Bartomeu kündigte Joan hoffnungsvoll an, dass seine neue Frau ein Kind erwarte. Nun müsse er sich außerdem um einen prosperierenden Tuchhandel kümmern, doch sein Herz hänge weiter an den Büchern. Joan wusste, dass sein Freund wieder mit verbotenen Büchern handelte und dass sein alter muslimischer Meister bei der Verbreitung der verfolgten Kultur als dessen Komplize wirkte. Er betete für sie, dass sie vor der Inquisition bewahrt blieben.
Das rührendste Geschenk war der Segen, den Abdalá ihm in mehreren Sprachen zuschickte und den er in der wunderschönen Kalligraphie seiner besten Zeiten geschrieben hatte.
Auf dem Pergament fanden sich die eleganten und langen Züge der maurisch-andalusischen Schrift, neben den spitzen der Gotik, den hebräischen Zeichen und der zierlichen runden italienischen Schrift. Für jemanden, der etwas von der kalligraphischen Kunst verstand, war dies ein wunderschönes Meisterwerk. Doch Joan wusste, dass die Schriftzüge, die Buchstaben, die Sätze noch mehr als das waren. Als der Granadiner sie zeichnete, hatte er sich in einen Priester verwandelt, und diese Zeichen waren Gebete an den Herrgott in unterschiedlichen Sprachen, Kalligraphien und Religionen. Als Joan sie las, spürte er die Gnade ihrer Segenssprüche.
Joan schrieb gerührt in sein Buch: »Danke, Herr, für die wunderbaren Menschen, die du mit mir zusammengeführt hast. Nicht einmal tausend sarazenische Schätze wären so viel wert wie sie.«
Wenige Tage später ließen sie das Kind taufen. Sie nannten es Ramón, wie Joans Vater. Der Vorschlag kam von Anna, und der junge Mann dankte ihr dafür aus tiefstem Herzen.
Anna zeigte noch größere Begeisterung als Joan für die Buchhandlung und wartete ungeduldig auf die Abfahrt. Sie übernahm die Arbeit, die Bücher, die Joan bei Bartomeu bestellt hatte, zu registrieren und einzupacken. Der Zugang nach Rom auf dem Seeweg war weiterhin blockiert, und Neapel war eine sichere Verbindung für Einfuhren aus Spanien. Joan war überrascht, als er erfuhr, dass seine Frau von zwei einheimischen Druckern und von Antonello selbst Bücher auf eigene Rechnung bestellt hatte.
»Sie wird es im Buchhandel weiter bringen als du«, sagte der Neapolitaner zu Joan und lachte. »Sie kann gewiss keine Bücher binden oder drucken, aber sie versteht etwas von Literatur und hat ein gutes Gespür für die Wünsche der Leser.«
Die nächste Überraschung war, dass Anna mit einem Kredit von Innico d’Avalos und der Hilfe Antonellos zwei Wagen und mehrere Pferde gekauft und sich schon für die starkbewaffnete Kolonne entschieden hatte, der sie sich anschließen würden und die in drei Tagen von Neapel aufbrechen würde. Sie hatte sogar zwei Fuhrleute und ein neapolitanisches Dienstmädchen, das bereit war, in Rom zu leben, eingestellt.
»Ihr hättet auf mich warten können, um all das zu entscheiden«, sagte Joan stirnrunzelnd.
Doch Anna lächelte ihn nur herausfordernd an.
Sie begannen die Reise, als es hieß, dass Gonzalo Fernández de Córdoba mit seinem Heer bereits gegen die französischen Stellungen in Cosenza vorrückte.
Der Frühling hatte die Felder mit Blumen übersät. Joan hatte sich einen vornehmen Hut aufgesetzt und trug einen Degen im Gürtel. Er ritt auf einem Fuchs und hielt sich immer in der Nähe seiner Gattin. In dem Wagen, in dem Anna und das Dienstmädchen fuhren, hatten sie eine kleine Hängematte angebracht, die das Rütteln ein wenig milderte. Darin schaukelte Ramón behaglich hin und her. Die Bewegungen ließen ihn einschlummern, und er schlief auf dem größten Teil des Weges. Joan lernte es, ihn zu wiegen und zu halten. So konnte er ihm leicht auf die Schulter klopfen, damit er nach dem Essen aufstieß und zufrieden und mit einem Lächeln einschlief. Er wollte sein Versprechen halten. Dass er sich um ihn kümmerte, milderte den Schmerz, mit dem ihn sein Gewissen immer noch plagte. Es war ein schönes Kind. Wie sehr hätte er sich
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