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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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gefiel.

19
    J oan schlief schlecht in dieser Nacht. Unruhig sah er seinem ersten Tag in der Buchhandlung entgegen. Er nahm zusammen mit Gabriel und dem Novizen an den Primgebeten teil, frühstückte eilig, und nachdem er seinen Bruder umarmt und den Segen Bruder Jaumes empfangen hatte, rannte er durch das große, gerade erst geöffnete Tor hinaus. Kurz zuvor war der Tag angebrochen. Die ersten Sonnenstrahlen beschienen die Türme der Kathedrale, und der Morgen war kalt in den schattigen Straßen.
    Ein etwas größerer, magerer und sehniger Junge fegte den Boden vor der Buchhandlung, wobei er ihn zuvor nass gemacht hatte, um keinen Staub aufzuwirbeln. Joan fragte ihn nach seinem Herrn und setzte hinzu, er sei der neue Ladendiener. Der Junge musterte ihn von oben bis unten, und als er die Prüfung beendet hatte, lächelte er ihm zu.
    »Ich heiße Lluís. Bisher war ich der Diener. Weil du gekommen bist, machen sie mich zum Lehrling«, sagte er stolz. »Warte hier im Laden, ich gebe ihm Bescheid.«
    Wenig später kam er zurück und wies ihn an zu warten, Mosén Corró frühstücke gerade. Danach zeigte er auf den Besen und setzte zufrieden hinzu: »Das hier ist von jetzt an deine Sache.«
    Joan sah zu, wie Lluís seine Aufgabe erledigte. Dann betrachtete er das schöne Buch und die Bänke, die als Ladentisch dienten und darauf warteten, dass man sie auf die Straße hinausbrachte. Er trat näher, um die gotischen Buchstaben, die goldenen Verzierungen und das bunte Bild zu betrachten, das die rechte Seite vollständig ausfüllte. Abermals bedauerte er, dass er nicht lesen konnte, und noch größeres Bedauern empfand er über das Versprechen, das ihn daran hinderte, es zu erlernen.
    Er hörte Gelächter, das aus dem Hinterzimmer kam. Der Lehrling erklärte ihm, dass die Herrschaften im oberen Stockwerk frühstückten, während die Arbeiter in der Werkstatt des Erdgeschosses aßen. Der Junge fragte sich besorgt, wie sie ihn empfangen würden.
    »Guten Tag, Joan«, begrüßte ihn schließlich Mosén Corró. »Komm und sieh dir die Werkstatt an.«
    Sie liefen durch einen Flur, der die Buchhandlung vom Hinterzimmer trennte und von dem eine breite Treppe zum Obergeschoss ausging. Der Raum war ebenso wie der Laden voller Wandschränke, in denen Bücher und verschiedene Materialien abgelegt waren, die sich auch auf dem Boden stapelten. Dann kamen sie in die Werkstatt. Sie war geräumig und grenzte auf der anderen Seite an einen Hof, mit dem sie über drei große Bogen verbunden war, die das Tageslicht einfallen ließen. In diesem Augenblick sammelte ein Mädchen das Frühstücksgeschirr ein, während die Handwerker verschiedene Arbeitsgeräte auf den Hof brachten.
    »Es sieht nach einem schönen Tag aus. Je mehr Licht es gibt, desto besser kann man Bücher einbinden«, erklärte der Buchhändler.
    Er stellt ihn Guillem vor, dem Buchbindermeister, der ungefähr dreißig Jahre alt war, und Pau, seinem Gesellen, der etwas über zwanzig war. Corró erklärte, Joan solle die Anweisungen des Meisters ausführen, sobald er die Aufträge seiner Frau erledigt habe. Dann hob er die Stimme und zeigte auf die Lehrlinge: auf den ältesten, Felip, der ungefähr achtzehn Jahre alt war und wegen seiner Beleibtheit und seines rötlichen Haares auffiel, dann auf die beiden jüngeren, Jaume und Lluís, den er schon kannte. Als sie in den Laden zurückgekehrt waren, begegneten sie der Herrin, die Joan mit einem Kuss auf den Handrücken begrüßte. Sie lächelte ihm zu und wies ihn an, das Wasser aus den in der Werkstatt und der Buchhandlung stehenden Krügen auszuschütten und sie am Brunnen mit frischem Wasser zu füllen. Um die Krüge in der Küche kümmerten sich die Mägde.
    Emsig führte Joan diesen Auftrag aus, und als er damit fertig war, schickte ihn die Herrin, Leim bei einem Kaufmann in ihrer Straße, der Calle Especiers, zu holen, denn zu den Aufgaben der Gewürzhändlerzunft gehörte auch der ganze Bereich der chemischen Erzeugnisse. Joan dachte, diese Besorgungen könnten eine großartige Gelegenheit sein, auf den Straßen der verlockenden Stadt umherzulaufen und die Läden und ihre Einwohner zu betrachten.
    Nachdem er alle Aufträge erledigt hatte, half er dem Gesellen bis zur Essenszeit in der Werkstatt. Staunend beobachtete Joan, wie die Arbeit vor sich ging. Die Papierbogen wurden mit gewaltigen Metallscheren auf die richtige Größe zugeschnitten und übereinandergelegt. Nun wurden die Bogen mit Pressen, die aus Holzbrettern und

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