Am Horizont die Freiheit
sperrte die Türen weit auf und fegte die Straße, wie es Lluís am Tag zuvor getan hatte.
Nach einiger Zeit erschien der Herr und begrüßte ihn. Kurz danach kam Señora Joana hinunter und richtete den Verkaufstisch auf der Straße her. »Hast du gefrühstückt?«, erkundigte sie sich.
»Ja, Señora. Im Kloster.«
»Und warum frühstückst du nicht hier?«
»Mit Señor Corró ist vereinbart, dass ich bei ihm nur zu Mittag esse. Die übrigen Mahlzeiten bekomme ich im Kloster.«
»Also, das geht so nicht«, entgegnete die Frau energisch. »Du bist im Wachstumsalter und musst dich gut ernähren. Ich verlasse mich nicht darauf, was dir die Mönche geben. Komm jetzt gleich in den ersten Stock hoch, die Mägde sollen dir Brot, Milch und Käse geben.«
»Aber …«
»Hier nützt kein Aber. Gehorche.«
Joan dankte ihr und lief hinauf. Er mochte diese Frau. Sie war kräftiger als seine Mutter, doch ihre dunklen Augen und ihre Redeweise erinnerten ihn an sie.
Seine nächste Aufgabe bestand darin, den übrigen Laden, den Lagerraum und die Werkstatt zu fegen. Dort musste er sich wieder gefallen lassen, dass Felip ihn verhöhnte und absichtlich Papierschnipsel auf den Boden warf, damit er sie aufheben musste. Joan sagte zunächst nichts, doch er geriet allmählich in Wut. Als er sich schon dem großen Burschen entgegenstellen wollte, machte ihm Lluís ein Zeichen, näher zu kommen.
»Als Neuling musst du diese Neckereien ertragen, bevor du in der Werkstatt aufgenommen wirst«, sagte er. »Je hochmütiger du auftrittst, desto schlimmer wird es dir ergehen.«
»Felip ist ein unverschämter Kerl.«
»Das stimmt. Aber er ist der Letzte, mit dem du es aufnehmen kannst. Sogar die Meister haben Angst vor ihm. Er ist der Anführer der Lehrlingsbande in dieser Straße. Und da gibt es ganz üble Kerle.«
»Gehörst du zur Bande?«
»Aber natürlich. Sie geben keine Ruhe, wenn du nicht auf ihrer Seite bist.«
Joan war erleichtert, als er die Werkstatt verlassen konnte, um Wasser am Brunnen zu holen. Unterwegs sah er, dass viele Menschen auf der Plaza del Rey dem Schloss gegenüber zusammengeströmt waren. Die Menge stieß empörte Schreie aus, während die Soldaten unerschütterlich zusahen.
»Fort mit den kastilischen Inquisitoren!«, tobten die Leute.
»Wir wollen die alte Inquisition!«, schrien andere. »Der König soll unsere Privilegien achten!«
Joan verstand nicht, worum es ging, und er trat auf einen freundlich aussehenden Mann zu, um ihn zu fragen.
»König Ferdinand will uns die Inquisition nach kastilischer Art aufzwingen«, erklärte er. »Und das verletzt die Privilegien, obwohl er geschworen hat, sie zu achten. Wir wollen die alte Inquisition, die der Krone von Aragonien. Sie ist nachsichtig, gestattet die Verteidigung der Angeklagten und handelt nur in ganz eindeutigen Fällen. Das gilt nicht für die kastilische. Bei ihr darfst du dich nicht verteidigen, und manchmal weißt du nicht einmal, wessen man dich beschuldigt. Sie sperren die Leute ein, foltern und verbrennen sie und eignen sich dann deren Besitz an. Die neue Inquisition wütet schon in Valencia, und unsere Stadt ist voll mit valencianischen Konvertiten, die sich vor dem Terror gerettet haben. Die von hier haben Angst und werden nach Frankreich fliehen. Weil es Leute mit Geld und guten Berufen sind, wird Barcelona durch ihre Flucht noch mehr ruiniert. Als hätten wir nicht schon genug Elend.«
»Kann man den König denn nicht überzeugen?«
»Die Stadträte schicken ihm seit Monaten Briefe und Unterhändler, doch er lehnt alles ab. Die neue Inquisition hat sich noch nicht gerührt, weil wir ihr Hindernisse in den Weg legen. Aber Juan Franco, der von Torquemada ernannte Inquisitor, bedroht die Stadt mit dem Heer des Königs.«
Joan kratzte sich am Kopf. Die Sache schien sehr ernst zu sein. In diesem Augenblick lief die Menge schreiend zur Plaza de Sant Jaume los, und Joan beschloss, sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen und seinen Weg fortzusetzen. Er dankte dem Mann und kümmerte sich um das Wasser.
Als Joan in die Werkstatt zurückgekommen war, die Aufträge von Señora Corró erledigt und überall saubergemacht hatte, wofür er verantwortlich war, half er bei den leichten Buchbinderarbeiten. Wenig später sagte Meister Guillem zu ihm: »Bitte den Gesellen Pau, er soll dir die quadratische Nadel mit den drei Spitzen geben, mit der man das unsichtbare Pergament näht.«
Pau erklärte ihm, dass Felip sie habe. Dieser gab
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