Am Horizont die Freiheit
Schraubenspindeln bestanden, stark zusammengedrückt. Dann heftete man sie an einem Ende mit einem Faden und verband sie miteinander, bis sie ein vollständiges Buch bildeten, wobei man die Verbindungsstreifen an die Außenseite des Buchrückens legte. Sie wurden verleimt, und schließlich schützte man das Buch mit Deckeln. Meistens waren diese aus Pergament, doch man stellte sie auch aus der Pappe her, die entstand, wenn man mehrere Papierblätter zusammenleimte oder wenn man Pappe und Pergament verband. Die allermeisten Bücher, die man einband, hatten leere Seiten, damit die Käufer darauf schreiben konnten, und im Allgemeinen benötigten sie keinen großen Aufwand. Doch in der Werkstatt der Corrós wurden auch Druckbogen und sogar Handschriften gebunden. In solchen Fällen verwendete man meist Leder für den Einband, und ihm prägte man ein Bild auf, das in einer Metallplatte eingraviert war. Manchmal benutzte man die Radtechnik: Das Rad trug ein eingraviertes Ornament, und wenn man es auf dem feuchten Leder abrollte, wiederholte es ständig dasselbe Motiv. Die Reliefs wurden vergoldet oder gefärbt. Und für wertvolle Bücher wie das am Eingang des Buchladens stellte man Holzdeckel her, die mit feinem gepunztem Leder überzogen waren. Doch Joan hatte mit all diesen komplizierten Arbeiten nichts zu tun. Seine Tätigkeit beschränkte sich darauf, beim Heften der Bogen zu helfen.
Vorläufig musste er seine ganze Aufmerksamkeit darauf verwenden, die Anweisungen zu verstehen, die ihm der Geselle gab. Er wollte Werkzeuge von ihm haben, deren Namen er in seinem ganzen Leben noch nicht gehört hatte. Sie gebrauchten Wörter, die er nicht verstand, und oft wusste er nicht, was er überhaupt tun sollte. Er kam sich ungeschickt und unnütz vor.
»Beeil dich, Junge!«, herrschte ihn der Mann mit ernster Miene an.
Als die Essenszeit kam, atmete Joan erleichtert auf. Das Kloster war kein sehr gastlicher Ort, aber dort hatte er seinen Bruder, den Novizen und Bruder Jaume, und es ähnelte noch am meisten einem Zuhause. Es waren allzu viele Neuigkeiten für einen einzigen Tag gewesen. Doch von einem war er überzeugt: Die Bücher faszinierten ihn, und selbstverständlich die mit Schriftzeichen. Welche Geheimnisse mochten sie enthalten? Das Verbot, lesen zu lernen, weckte in ihm das gewaltige Verlangen, es doch zu tun.
Die Lehrlinge räumten die Arbeitstische ab, und jeder holte seinen Napf hervor. Es waren mehr als genug da, und man wies Joan an, sich einen zu nehmen. Kurz darauf erschien eine Magd mit einem Topf, der eine Fleischsuppe mit Linsen und Gemüse enthielt, und sie füllte die Näpfe. Inzwischen legte eine zweite Magd ein paar Brotlaibe, die schon aufgeschnitten waren, und Äpfel auf den Tisch. Dazu stellte sie Krüge mit Wasser und Wein.
Der Meister und der Geselle setzten sich an ein Tischende. Dann folgten die Lehrlinge, wie es ihrem Dienstalter entsprach. Joan setzte sich Lluís gegenüber.
Plötzlich betrat ein fremdartiger Mann den Raum. Er trug einen Überrock, der ihm bis zu den Füßen reichte und lange Ärmel hatte. Das Gewand hing lose, ohne Gürtel herab. Er hatte das Haupt mit einem Stück Stoff wie einem Turban bedeckt, und in seinem Bart überwogen die weißen Haare.
»Guten Appetit«, begrüßte er die anderen mit einem seltsamen Akzent.
Die Gesellen erwiderten den Gruß, doch die Lehrlinge antworteten nicht. Die Blicke Joans und des Mannes begegneten sich kurz. Er hatte ein von Falten zerfurchtes Gesicht, und seine tiefblauen Augen hoben sich von der leicht dunklen Gesichtsfarbe ab. Der Alte setzte sich bedächtig an einen abseits stehenden Tisch, und die Magd bediente ihn.
»Er ist ein weißer Sarazene«, klärte ihn Lluís auf.
Ein weißer Sarazene! Joan hatte es geahnt, doch als er es bestätigt fand, spürte er, dass sich ihm die Eingeweide zusammenzogen. Dieser Kerl gehörte zu derselben Horde wie die, die sein Dorf überfallen, seinen Vater getötet und die Frauen gefangen genommen hatten.
»Was tut er hier?«, wollte Joan wissen.
»Er ist ein Sklave, aber der Herr schätzt ihn sehr. Er isst kein Schweinefleisch und trinkt keinen Wein, und das gestattet man ihm. Wenn er sich taufen ließe, würde man ihm die Freiheit geben. Doch er will kein Christ werden.«
»Er ist ein dreckiger Ungläubiger«, meldete sich Felip, der älteste Lehrling. »Und der Herr sieht ihm allzu viel nach. Ich würde ihm schon Bescheid geben. Ich würde ihn einen Monat ohne Essen lassen, danach würde ihm
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