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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Ich werde gehorchen«, antwortete er mit Tränen in den Augen.
    »Guter Junge«, kommentierte der Kaufmann. Nun fasste er ihn an der Schulter und lief weiter. »Wenn du dich nicht daran hältst, wirft dich der Buchhändler Corró sofort aus seinem Haus. Das muss dir klar sein. Ich weiß, dass du Probleme mit dem Administrator von Palafrugell hattest, und ich möchte nicht, dass sich so etwas hier wiederholt. Vielleicht bekommst du keine weitere Gelegenheit in deinem Leben, ein Handwerker zu werden.«
    Sie liefen eine Zeitlang schweigend nebeneinander her. Schließlich sagte Bartomeu: »Wenn du in den ersten Tagen gut arbeitest, bringt man dir vielleicht das Schreiben bei.«
    »Schreiben?«, rief Joan überrascht. »Wie kann man schreiben, ohne dass man lesen kann?«
    Bartomeu blieb stehen und musterte den Jungen prüfend.
    »Das ist der Grund, warum ich eine Arbeit für dich finden konnte.«
    Joan schwieg und wartete darauf, dass der Kaufmann deutlicher wurde.
    »Antoni Ramón Corró braucht keinen Ladendiener, aber ich habe ihm von deinem künstlerischen Geschick erzählt. Außerdem habe ich ihm ein paar von den Holzfiguren gezeigt, die du geschnitzt hast. Wir glauben, wenn du etwas Erfahrung gesammelt hast, kannst du Schönschrift lernen, sowohl gotische als auch italienische. Und wenn du tatsächlich zeigst, dass du geschickt bist, lässt dich der Buchhändler Corró ein paar Bücher abschreiben. Einen guten Kopisten könnte er dringend gebrauchen.«
    »Aber ich würde ein besserer Kopist sein, wenn ich lesen könnte.«
    »Darüber haben wir schon gesprochen!« Er kehrte zum harten Ton von vorhin zurück. »So ist es nicht. Die Buchstaben sind wie Zeichnungen, und du musst nur diese Zeichnungen kopieren. Verstehst du nicht, dass ich ihn gerade deshalb überzeugen konnte, weil du ein Kopist wärest, der nicht lesen kann?«
    Das war sonderbar, sagte sich Joan. Hier hatte er es mit einer ihm unbekannten Welt zu tun. Doch seine Zukunft hing davon ab, dass er gehorchte, und er beschloss, seine Fragen auf eine spätere Zeit zu verschieben.

18
    W egen der Auseinandersetzung mit Bartomeu war Joan eine Weile lang still und in sich gekehrt. Aber die Stadt begeisterte ihn, und bald richtete sich seine Aufmerksamkeit auf alles, was ihm unter die Augen, die Ohren und die Nase kam. Es erstaunte ihn, so viele und so unterschiedliche Leute zu sehen, die er alle nicht kannte. Im Dorf und in Palafrugell hatte jeder jeden gekannt, und dieses großstädtische Treiben kam ihm sonderbar vor. Außerdem überraschte ihn, dass alle gutgekleideten Männer ein glattrasiertes Gesicht wie die Geistlichen hatten.
    Als er an der Tür vorbeikam, die zum Kreuzgang der Kathedrale führte, erblickte er zwei Blinde, die singend um Almosen bettelten und sich dabei mit einer Gitarre und Tamburinschellen begleiteten. Die Soldaten am Eingang zum Palast der Generalitat waren nicht dieselben wie am Vortag, und er staunte abermals über das kunstvoll bearbeitete Mauerstück, das vom Medaillon des heiligen Georg beherrscht wurde. Schließlich gelangten sie zur Plaza de Sant Jaume, und Bartomeu brachte ihn zur Calle Especiers. Ihr Bestimmungsort lag beinahe unmittelbar am Platz: die Buchhandlung Ramón Corrós. Es handelte sich tatsächlich um jene, die seine Aufmerksamkeit am ersten Tag angezogen hatte, und dasselbe illuminierte Buch, dessen Pracht ihn so fasziniert hatte, lag immer noch am Eingang. Es befand sich auf einem tragbaren Pult und wurde von dem roten Sonnendach geschützt. Joan dachte, dass es wohl sehr wertvoll war. Eine vor dem Buch aufgestellte Bank diente als Ladentisch, und darauf waren weitere Bücher ausgestellt. Manche hatten schöne Ledereinbände, andere waren aufgeschlagen und zeigten ihre leeren Seiten. Die meisten jedoch waren einfache Bogen aus gehefteten Blättern mit Pappdeckeln, die gewiss viel weniger kosteten. Außerdem gab es eine gute Auswahl weißer Gänsefedern, die zum Schreiben sorgfältig zugeschnitten waren, ein paar Fasanenfedern und sogar mehrere kleine Metallfedern, die auf Holzstiele montiert waren. Hinter dem Ladentisch stand eine Frau mittleren Alters. Sie hatte zart geschwungene Lippen und dunkle Augen. Sie trug ein Gewand aus gutem Stoff und hatte ihren Kopf mit einer Haube bedeckt. Ihr Gesicht erhellte sich, als sie Bartomeu erblickte.
    »Guten Tag, Mosén Bartomeu«, sagte sie lächelnd und neigte den Kopf, um ihn zu begrüßen.
    »Guten Tag, Señora Joana«, antwortete Bartomeu höflich. »Das hier ist

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