Am Horizont die Freiheit
klein bist, arbeitest du nur am Morgen. Du wirst hier nicht zu Abend essen und auch nicht hier schlafen, das tust du im Kloster, und darum gebe ich dir sechzig Sueldos im Jahr, also fünf im Monat. Deinen Lohn überlasse ich dem Subprior, damit die Ausgaben für dich im Santa-Anna-Kloster gedeckt werden. Er wird entscheiden, ob er dir etwas davon zukommen lässt.«
»Könntet Ihr Bartomeu das Geld geben, und er kann den richtigen Anteil mit dem Subprior vereinbaren?«
Der Buchhändler blickte ihn überrascht an, und danach lächelte er dem Kaufmann zu. Seine grauen Augen leuchteten auf, und an deren Seiten bildeten sich zahlreiche Fältchen. Ihm schien der Vorschlag zu gefallen, und Bartomeu erwiderte sein Lächeln.
»Einverstanden. Ich glaube, das ist eine gute Idee. Aber bevor ich dich aufnehme, musst du versprechen, dass du nicht lesen lernst, bevor du meine Erlaubnis dazu bekommst.«
Joan wechselte einen Blick mit Bartomeu. Das Verbot missfiel ihm, doch er nickte.
»Versprichst du es?«, drängte der Buchhändler.
»Ja, ich verspreche es.«
»Also gut. Von diesem Augenblick an gehörst du zu meinem Haus. Komm morgen, wenn es Tag wird, wieder.«
»Ja, Mosén Corró.«
»Du musst mit ›Ja, Herr‹ antworten«, korrigierte ihn Bartomeu.
»Ich habe keinen Herrn, ich bin kein Leibeigener«, ereiferte sich Joan, als sie sich weit genug von dem Buchladen entfernt hatten. »Mein Vater hat gesagt, ich müsse um meine Freiheit kämpfen.«
Bartomeu blickte ihn zuerst überrascht und dann nachdenklich an. Schließlich antwortete er lächelnd: »Dein Vater hatte recht, Joan. Aber auch wir freien Männer haben Pflichten. Wir haben sie gegenüber Gott, dem König, den Gesetzen und den Versprechen, die wir geben. Und du hast gerade einen Vertrag geschlossen. Du wirst Mosén Corró und seiner Familie dienen, und dafür gibt er dir einen Lohn. Und wenn du fleißig und gut arbeitest, kannst du ein Handwerk erlernen. Du bist frei, den Handel anzunehmen. Noch hast du Zeit, ihm zu sagen, dass du es nicht willst und dass du lieber im Klostergarten arbeitest. Möchtest du das? Den Anweisungen des Subpriors gehorchen und im Garten arbeiten?«
»Nein, das möchte ich nicht. Aber ich will auch niemanden ›Herr‹ nennen.«
»Hör zu. Du bist ein kleiner Junge, der noch nichts vom Leben weiß«, antwortete der Kaufmann ernst. »In einem Punkt hatte der Administrator von Palafrugell recht. Du bist widerspenstig und frech, während du noch nicht einmal in dem Alter für so etwas bist. Doch du hast auch bewiesen, dass du sehr aufgeweckt bist. Ich mag dich, und darum helfe ich dir. Du musst lernen, denn sonst wirst du in Ketten als Ruderer auf einer Galeere enden. Verstehst du mich?«
Joan hielt seinem Blick stand, ohne etwas zu sagen, während er versuchte, seine Worte zu verarbeiten. Er hatte diesen Mann gern, und er wusste, dass er sein Bestes wollte, doch er hasste alles, was nach Zwang klang. Sein Vater hatte ihm gesagt, dass ein Mann für die eigene Freiheit und die seiner Familie kämpfen müsse. Wenn er jemanden »Herr« nannte, widersprach das seinen Lehren. Bartomeu unterbrach seine Grübeleien.
»Pass auf, Joan. Wir wollen sehen, ob du es ein für alle Mal verstehst«, sagte er in entschiedenem Ton. »Mosén Corró ist Herr in seinem Haus. Und darum nennt man ihn so, nicht weil er dein Herr ist und du sein Sklave bist. Deshalb wirst du ihn ›Herr‹ nennen, solange du zu seinem Haus gehörst und für ihn arbeitest. Du bist ihm nicht nur Gehorsam schuldig, sondern auch Achtung und Treue. Verstehst du, was Treue bedeutet?«
Der Junge schwieg weiter, und Bartomeu versetzte ihm einen leichten Schlag vor die Brust.
»Verstehst du, was Treue bedeutet?« Der Kaufmann hob die Stimme.
Joan zuckte die Achseln.
»Nun, ich will es dir sagen. Treue zu jemandem bedeutet, ihn nicht zu betrügen und die Verpflichtungen dieser Person gegenüber bis zum Ende zu erfüllen. Und wenn du den Corrós treu bist, werden sie es dir gegenüber auch sein. Verstehst du jetzt?«
Joan nickte zustimmend, doch dies genügte dem Kaufmann nicht.
»Sag mir, dass du es verstehst, oder ich bringe dich in den Garten zum Subprior zurück!«
»Ja, ich verstehe es«, murmelte Joan zähneknirschend.
»Nun gut. Mosén Corró ist dein Herr, seine Frau ist deine Herrin, und ihr Sohn Joan Ramón wird der Sohn des Herrn sein, wenn er aus Lleida kommt. Und du wirst ihnen treu sein. Wiederhole es!«
Der Junge wiederholte es, was ihm überhaupt nicht
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