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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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das Schweinefleisch schon schmecken.«
    »Du hast recht«, stimmte Joan ihm zu.
    Er dachte nach, wie er erreichen konnte, dass der Alte etwas von dem Schaden verbüßte, den die Sarazenen seiner Familie zugefügt hatten.
    »Und was tut er?«, fragte er nach einer Weile.
    »Er kennt viele Sprachen: Arabisch, Lateinisch, Französisch, Kastilisch und ein paar mehr. Er übersetzt Bücher, und er kopiert auch für besondere Aufträge«, antwortete Lluís.
    »Und du, Joan?« Felip unterbrach das Gespräch mit lauter Stimme. »Du siehst auch sonderbar aus. Bist du etwa ein getarnter Sarazene, ein Spion?«
    Das brachte die Leute am Tisch zum Lachen.
    »Ich?«, erwiderte Joan überrascht. Er merkte, dass er errötete.
    »Seht euch an, wie er sich anzieht«, sprach Felip weiter. »Er trägt einen Rock wie der Sarazene, nur dass er billig ist, und ein Lederband als Gürtel.«
    »So kleiden wir uns in meinem Dorf«, verteidigte sich Joan, während die Übrigen weiterlachten.
    »Ja, natürlich. So kleiden sich die Mauren«, bohrte Felip weiter. »Außerdem, merkt ihr, was für eine dunkle Haut er hat und wie komisch er spricht?«
    Joan hatte schon festgestellt, dass sich die Leute in der Stadt, außer den Geistlichen und den kleinen Kindern, nicht wie er anzogen. In Barcelona trugen die Männer ein Wams, das ihnen bis zum Oberschenkel reichte, und dazu hatten sie Beinkleider an. Sobald er Geld hätte, wollte er sich passende Kleidung kaufen, doch er hatte nicht vorausgesehen, dass man sich aus diesem Grund über ihn lustig machen würde. Alle blickten ihn an und warteten auf seine Antwort.
    »Nenn mich nicht Maure«, stieß er schließlich ungestüm hervor.
    »Nun, mir kommst du wie einer vor«, widersprach der große Bursche. »Du bist außen weiß, aber im Innern schwarz wie der dort. Ein Sarazene.«
    Er zeigte auf den Mann, der allein aß und den Wortwechsel schweigend verfolgte.
    »Ich bin ein guter Christ!«, schrie Joan entrüstet und sprang mit einem Satz vom Tisch hoch. »Wage es nicht, mich zu beleidigen.«
    Der Rothaarige lachte schallend, und die Übrigen stimmten mit ein.
    »Aber der Winzling ist ja ein tapferer Kerl!«, kommentierte Felip ironisch. »Sehr gut, großer Mann. Wenn du ein Christ und dermaßen wild bist, bist du bestimmt ein
remensa

    »Ich bin auch kein
remensa
! Mein Vater war ein freier Fischer mit einem eigenen Boot. Er hatte keinen Herrn, und ich auch nicht.«
    »Nun, wenn du Christ bist und so grob redest, kannst du nichts anderes sein. Wir werden dich so nennen.«
    »Jetzt reicht es, hört auf mit der Geschichte«, griff Guillem, der Meister, ein. »Nutzt die Pause, um Mittagsruhe zu halten.«
    »Ich bin kein
remensa
!«, betonte Joan.
    Der Junge hatte gehört, dass die
remensas
aus Nordkatalonien, die von einem gewissen Pere Joan Sala angeführt wurden, Güter von Adelsherren überfielen, von denen viele in Barcelona lebten. Die Rebellion beunruhigte die Stadt, und »
remensa
« war zu einem Schimpfwort geworden.
    »Genug mit den Diskussionen!«, unterbrach ihn der Meister. »Du, Joan, hast die Arbeit für heute beendet, also geh zurück ins Kloster.«
    Der Junge gehorchte mit gesenktem Kopf, doch als er gerade hinausging, stieß ihn jemand und sagte dazu: »Bis morgen,
remensa
.« Es war Felip, und er lachte.
    Als Joan ins Kloster kam, warteten sein Bruder und der Novize auf ihn und wollten wissen, wie die Arbeit in der Buchhandlung gelaufen war. Er berichtete, was er erlebt hatte, ohne die unangenehme Erfahrung mit Felip zu erwähnen. Sie hörten ihm neidisch zu: Gabriel hatte den ganzen Morgen im Garten gearbeitet, und Pere war mit den Gottesdiensten und mit seinem Theologie- und Lateinstudium bei Bruder Melchor beschäftigt gewesen. Joan hingegen beneidete Pere. Er konnte lesen! Und bald würde er Latein beherrschen! Er vertraute ihm seinen Kummer über den Buchhändler an, der ihm nicht gestattete, lesen zu lernen.
    »Natürlich!«, erklärte der Novize. »Die Schönschrift für Bücher, die genaue Zeichnung jedes Buchstabens verlangen große Konzentration. Wenn du Bücher kopieren sollst, wollen sie nicht, dass du dich durch das Lesen ablenkst, das ist doch zu verstehen.«

20
    A ls Joan am nächsten Tag zur Buchhandlung kam, stellte er fest, dass die Tür halboffen stand und dort der Besen auf ihn wartete. Er hörte, wie die Handwerker frühstückten und wie Felip lauter als die Übrigen redete. Er wollte nicht hineingehen, denn er fürchtete, dass Felip wieder mit ihm Streit suchte. Er

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