Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Beweise nach. Und dann fiel ihm plötzlich wieder ein, dass sich die Geschichte, die ihm Dr. Muntz erst kurz zuvor erzählt hatte, ebenfalls am Abend des Unwetters abgespielt hatte. «Jetzt will ich Ihnen mal was sagen», begann der Rabbi. «Ich werde Ihnen ein paar Informationen geben, die Ihren Schlussfolgerungen den Hals brechen. Vor nicht einmal ganz einer Stunde war Dr. Alfred Muntz bei mir zu Hause. Und erzählte mir unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit – aber ich denke, die gegenwärtige Situation rechtfertigt den Vertrauensbruch –, dass auf das Rezept, das er Safferstein für seine kranke Frau ausgestellt hatte und das dieser am selben Abend im Town-Line Drugstore anfertigen ließ, ganz und gar nicht das Medikament ausgegeben worden war, das er verlangt hatte. Auch in diesem Fall war das Etikett richtig, die Pillen jedoch falsch. Nun hat nach Ihren eigenen Worten aber McLane das Safferstein-Rezept angefertigt, also hat er denselben Fehler gemacht, den, wie Sie sagen, Arnold bei dem Kestler-Rezept gemacht haben soll. Sie behaupten, ein derartiger Fehler sei genauso unwahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass eine Frau Salz mit Zucker verwechselt. Wenn aber zwei Frauen Seite an Seite in derselben Küche arbeiten und eine zum Kuchenbacken Salz statt Zucker nimmt, während die andere an ein Fleischgericht Zucker statt Salz gibt, dann muss man, ganz egal, wie unwahrscheinlich es ist, dennoch annehmen, dass ebendieser Fehler gemacht wurde, vor allem, da zwei derartige Fehler noch unwahrscheinlicher sind als einer. Wenn es sich bei dem gegenwärtigen Fall nicht um Zufall handelte, müssen wir annehmen, dass eine Verschwörung stattgefunden hat, dass McLane und Arnold flüsternd eine Absprache getroffen haben, während Safferstein wartete, dass sie sich verabredet haben, die Medikamente, die zwei verschiedene Ärzte zwei verschiedenen Patienten verschrieben hatten, von denen sie gegen den einen, Mrs. Safferstein nämlich, gar nichts hatten, zu vertauschen. Und das ist Unsinn.»
Lanigan grinst breit. «Vielen Dank, David. Ihre Ausführungen erklären, wie Arnold es gemacht hat. Ich muss zugeben, das hat mich ein bisschen gestört. Mir schien, dass der junge Aptaker ein ungeheures Risiko einging, indem er die falschen Pillen einfüllte, während McLane nur einen Schritt entfernt von ihm saß. Da McLane das Rezept am Telefon entgegengenommen hatte, wusste er, was in die Flasche gehörte, die Arnold füllte. Aber jetzt weiß ich, wie er es gemacht hat. Ich danke Ihnen. Sie haben beide die Etiketten getippt und sie auf die entsprechenden Flaschen geklebt. Dann lenkt Arnold McLanes Aufmerksamkeit ab und vertauscht die Flaschen. Anschließend füllt jeder die vor ihm stehende Flasche, und Safferstein bekommt Kestlers Medikament, während Kestler Saffersteins bekommt.»
«Aber was auf Arnold zutrifft, trifft genauso auf McLane zu», wandte der Rabbi ein. «McLane kann Arnolds Aufmerksamkeit abgelenkt haben.»
«Das hat er aber nicht getan. Erst vorhin berichtete Arnold mir, er habe eine Flasche Hustensaft umgestoßen und McLane sei in die Toilette gegangen, um einen Aufwischlappen zu holen. Ich möchte hinzufügen, dass McLane nicht so getan hat, als wisse er nicht, wer Kestler war. Und McLane hat auch nicht am nächsten Tag die Stadt verlassen.»
«Aber wenn’s darum geht, dass die Medikamente vertauscht worden sind, kann jeder, der die beiden Flaschen in Besitz hatte, es getan haben. Safferstein hätte …»
«Also, das passt nun wieder gar nicht zu Ihnen, David», sagte Lanigan vorwurfsvoll.
«Was denn?»
«Den Verdacht auf einen Ihrer Leute zu lenken, um einen anderen zu retten.»
«Ich wollte lediglich die Möglichkeiten aufzählen», entgegnete der Rabbi kalt.
«Ja, aber Safferstein gehört nicht dazu. Und warum nicht? Weil er Kestler gar nicht kannte, weder den Vater noch den Sohn. Und Kestler kannte Safferstein nicht. Sie hatten nie etwas miteinander zu tun. Außerdem konnte Bill Safferstein überhaupt nicht wissen, was geschehen würde, wenn er Kestler das für seine Frau bestimmte Medikament zuspielte.»
Der Rabbi schwieg. Dann fragte er: «Werden Sie Arnold Aptaker verhaften?»
Lanigan überlegt. «Noch nicht. Vielleicht gibt es doch eine Erklärung. Sehen Sie sich doch an, wie es bei McLane war. Ich dachte, ich hätte ihn, und er hat sich da rausgewunden. Vielleicht hat der junge Aptaker auch so ein Glück. Ich werde nochmal mit ihm sprechen. Aber vielleicht, wenn Sie zuerst mit ihm
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