Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Ihrem Synagogenvorstand. Da sind Sie doch Mitglied, oder nicht?»
«Ich … ich nehme auf Einladung des Vorsitzenden an den Sitzungen teil. Richtiges Mitglied bin ich nicht.»
«Heißt das, dass Sie nicht mit abstimmen?»
«Doch, wenn ich anwesend bin, stimme ich ab, aber …»
«Nun, in dem Brief steht, es sei ein einstimmiger Beschluss des Vorstands, also müssen Sie auch dafür gestimmt haben.»
«Glauben Sie mir, Mr. Aptaker, ich weiß nichts von einem Brief an Sie. Was steht denn drin?»
«Dass Sie meinen Mietvertrag nicht erneuern können, weil Sie den ganzen Block verkaufen.»
«Ich wusste nicht mal, dass Sie um eine Verlängerung des Mietvertrages eingekommen sind.»
«O doch, Rabbi! Sehen Sie, als mein Mietvertrag allmählich auslief, schrieb ich an Mr. Goralsky und bat ihn um Verlängerung. Er antwortete mir, ich sei ein guter Mieter, er sei bereit, mir einen neuen Vertrag für fünf Jahre und eine fünfjährige Option zu denselben Bedingungen wie den alten zu geben, und er werde mir die Formulare zur Unterschrift zusenden.»
«Und das hat er nicht getan?»
«O doch, er hat sie mir zugeschickt», antwortete Marcus. «Aber sie enthielten eine Klausel, dass ich meine Schaufensterscheiben versichern müsse. Also, die hatten wir in den vorangegangenen Verträgen immer ausgestrichen, weil ich die Schaufensterscheiben immer selber bezahlt habe. Darum schrieb ich ihm und bat ihn, er möge diese Klausel ausstreichen.»
«Und er weigerte sich?»
Aptaker schüttelte grimmig den Kopf. «Nein. Er starb. Ich wollte an Ben, seinen Sohn, schreiben, aber dann benachrichtigten mich die Anwälte, dass Goralsky den Block der Synagoge vermacht habe, also schrieb ich an Ihre Leute und hörte wochenlang kein Wort. Das hätte mich nicht weiter beunruhigt, wissen Sie, denn da es sich um eine Organisation handelte, dachte ich mir, dass eine Verzögerung nur natürlich wäre. Und außerdem hatte ich der Synagoge eine Kopie von Goralskys Brief geschickt. Und gestern bekam ich dann die Antwort. Von Chester Kaplan – das ist Ihr Präsident, nicht wahr? Er schreibt mir, der Block sei an William Safferstein verkauft worden, mit dem müsse ich mich in Verbindung setzen.»
«Haben Sie das getan?», fragte der Rabbi.
«Ich habe den Brief erst gestern bekommen. Außerdem, was hätte das noch für einen Sinn, wo er doch immer hinter mir her war, ich solle ihm das Geschäft verkaufen?»
«Safferstein will Ihr Geschäft kaufen?»
«Er wollte. Jetzt hat er das nicht mehr nötig. Jetzt braucht er bloß ein paar Monate zu waren, bis mein Mietvertrag ausgelaufen ist, und kann ihn einfach so übernehmen.»
«Aber warum sollte Mr. Safferstein Ihr Geschäft erwerben wollen? Er ist doch Immobilienmakler.»
«Nun, er will es eben. Während der letzten Monate hat er mich mindestens ein Dutzend Mal gefragt. Wissen Sie, er hat da einen Schwager, der auch Apotheker ist, und der bittet ihn ständig um ein Darlehen, das er dann nie zurückbekommt. Aber da es sich um den Bruder seiner Frau handelt, kann er ihn auch nicht abweisen. Darum hat er sich gedacht, dass er mein Geschäft kaufen und seinen Schwager hineinsetzen will. Und da er hinter meinem Laden her ist, weshalb sollte er dann meinen Mietvertrag verlängern?»
«Aber wenn Sie ihn nicht mal gefragt haben …»
Aptaker schüttelte den Kopf. «Das brauche ich nicht. Und selbst wenn er es täte – ich würde ihn niemals darum bitten. Denn das wäre Betteln. Er würde mich ja doch abweisen.»
«Aber wenn Safferstein doch immer wieder zu Ihnen gekommen ist, obwohl Sie ihn schon das erste Mal abgewiesen hatten …»
Aptaker grinste. «Das ist was anderes. Das ist Geschäft. Sie als Rabbi kennen sich da möglicherweise nicht aus, aber das geht folgendermaßen. Angenommen, jemand sagt, er will Ihr Geschäft kaufen. Dann fragen Sie nicht sofort, wie viel er bietet, weil Sie nicht allzu eifrig wirken wollen. Außerdem wollen Sie vermeiden, dass die Leute erfahren, wie interessiert Sie an dem Verkauf sind, weil das darauf schließen ließe, dass Ihr Geschäft nicht gut geht, und das könnte wiederum Ihrem Kredit schaden. Darum weichen Sie zunächst mal aus. ‹Warum sollte ich ein gut gehendes Geschäft verkaufen?› Oder: ‹Warum wollen Sie einen Drugstore kaufen, wo Sie nicht mal Apotheker sind.› Sehen Sie, man verhandelt anfangs einfach nicht ernsthaft. Also, jedes Mal, wenn er reinkommt, um sich eine Zeitung oder ein Päckchen Zigaretten zu kaufen, stellt er mir wieder diese Frage.
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