Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Es stört ihn nicht, dass ich ihn abweise, weil er auch ein Geschäftsmann ist und weiß, wie der Hase läuft. Aber dann sucht er mich zu Hause auf. Das bedeutet, er meint es ernst. Also muss ich ernsthaft mit ihm verhandeln.»
Aptaker hatte auf dem Rücken gelegen, jetzt aber drehte er sich auf die Seite, um den Rabbi ansehen zu können. «Ich erklärte ihm, warum ich nicht verkaufen könne. Sie müssen wissen, dass ich mein Geschäft nicht als etwas betrachte, mit dem ich machen kann, was ich will. Ich habe es von meinem Vater geerbt und muss es an meinen Sohn weitergeben. Ich meine, so was ist nicht wie ein Job, den man einfach verlassen kann. Wenn man ein Geschäft hat, für das man sein Leben lang gearbeitet hat, und vor einem der eigene Vater, und wenn man seinen Sohn hat ausbilden lassen, damit er es einmal übernimmt, dann verkauft man nicht einfach an einen Fremden, nur weil der einem ein paar Tausend Dollar bietet. Nein, dann ist das eine Familienangelegenheit. Darum sagte ich ihm, ich müsse das erst noch mit meinem Sohn besprechen und sehen, wie der darüber denkt.»
«Und Safferstein kam wieder zu Ihnen, um Sie zu fragen, ob Sie von Ihrem Sohn gehört hätten?»
«Ganz recht, Rabbi. Aber bei einer solchen Angelegenheit kann man nicht einfach einen Brief schreiben. Man muss sich zusammensetzen und die Sache gemeinsam besprechen.»
«Wenn also Safferstein sich erkundigen kam, antworteten Sie ihm, Sie hätten noch nichts von Ihrem Sohn gehört.»
«Hm-hm. Denn eigentlich hatte ich vor, mir einmal ein Wochenende frei zu nehmen und Arnold in Philadelphia aufzusuchen, wo er arbeitet.»
«Aber war er denn nicht erst vor ein paar Tagen hier?»
Aptaker wurde puterrot. «Ja, aber da hatten wir keine Gelegenheit zu einem Gespräch. Er musste plötzlich nach Philadelphia zurück.»
«Und nun?»
«Tja, jetzt ist es mehr oder weniger gleichgültig», antwortete Marcus düster. «Mein Mietvertrag läuft aus, und Safferstein wird mir vielleicht ein Angebot für meinen Warenbestand machen. Höchstwahrscheinlich aber werde ich alles an einen Auktionator verkaufen müssen.»
«Haben Sie die Korrespondenz über diese Angelegenheit, Mr. Aptaker? Ich meine, die Bitte um Verlängerung und …»
«Selbstverständlich. Ich bin ein sehr methodischer Mann, Rabbi. Ich habe eine Akte mit allen Briefen, die ich erhalten, und den Durchschlägen aller Briefe, die ich geschrieben habe.»
«Könnte ich die mal sehen?»
«Warum nicht? Glauben Sie, dass Sie etwas für mich tun könnten?», erkundigte sich Marcus eifrig. Dann, resignierend: «Glauben Sie mir, es ist aussichtslos. Alles ist vollkommen legal. Es war eben mein Pech, dass Goralsky ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt starb.»
«Trotzdem würde ich mir, wenn ich darf, gern Ihre Korrespondenz ansehen.»
«Aber gern, Rabbi. Erinnern Sie mich bitte daran, wenn ich wieder draußen bin.»
«Könnte ich sie nicht vorher schon haben? Vielleicht kann Ihre Frau …»
«Na schön. Der Aktenhefter ist im Geschäft. Wenn Rose heute Abend kommt, sage ich ihr, dass sie ihn für Sie ausgraben soll.»
30
Um zwölf steckte Dr. Kantrovitz den Kopf durch die Bürotür seines Kollegen und fragte: «Lunch?»
«Sofort», antwortete Muntz. «Kommen Sie, wir holen Dan. Was ist mit John?»
«Der ist noch nicht aus dem Krankenhaus zurück.»
Dr. Kantrovitz ging über den Flur zu Dr. Cohens Praxis und rief: «Wie wär’s mit Lunch, Dan?»
Und Cohen, der während der letzten zehn Minuten dagesessen und sich gefragt hatte, ob sie ihn wohl zum Mitkommen auffordern würden, antwortete munter: «Ja, ich verhungere.»
Erst als die drei Herren beim Kaffee saßen, erkundigte sich Muntz nach der Klausur.
Dan Cohen lächelte breit. «Oh, das war schon ganz in Ordnung. Wissen Sie, mal völlig weg von allem hier. Und dieses Beten und Meditieren, das die da machen – na ja, das war auch gar nicht so schlecht. Nach einer Weile kommt man rein, und dann kann es richtig entspannend sein.»
«Entspannend?», fragte Al Muntz erstaunt. «Ist das alles? Chet Kaplan meinte – er sagte, er hätte Sie getroffen, als Sie wieder zu Hause waren –, Sie wären regelrecht euphorisch gewesen.»
«Ach so, das!» Dr. Cohen lachte. «Ja, ich glaube, das war ich wohl. Wissen Sie, diese Kestler-Sache hat mich ziemlich bedrückt, obwohl ich ganz sicher war, dass ich dem Alten das richtige Medikament gegeben hatte. Trotzdem machte ich mir Gedanken … na ja, weil Kestler eben Kestler ist. Und auch, weil Sie alle
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