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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Amtszeit als volles Mitglied zu betrachten ist. Das heißt mit allen Rechten und Privilegien. Aber», fügte er hinzu, «ich werde bei der Leitung dieser Sitzungen natürlich den Parlamentsregeln folgen. Bitte sehr, Rabbi, Sie haben das Wort.»
    «Ich wollte sagen, es gibt bestimmte Angelegenheiten, bei denen der Rabbi der Gemeinde gewisse, seiner Position innewohnende Rechte hat. Das Petersville-Grundstück ist für die Einrichtung einer permanenten Klausur bestimmt. Das ist eine Erweiterung der religiösen Aufgabe der Synagoge und betrifft den Rabbi der Gemeinde daher sogar noch mehr als den Vorstand.»
    «Der Antrag enthält nicht den geringsten Hinweis darauf», erwiderte Goodman. «Es heißt keineswegs in dem Antrag, dass das Grundstück als Klausur Verwendung finden soll. Ich persönlich habe dafür gestimmt, weil ich fand, es wäre ein gutes Geschäft für die Synagoge, aber ich dachte dabei eigentlich mehr an ein Sommerlager für unsere Kinder.» Er sah deutlich, dass der Rabbi wütend war, und da es in der Vergangenheit zahllose Gelegenheiten gegeben hatte, da es zum Streit zwischen ihnen gekommen war, machte es ihm besonderes Vergnügen, seine Wut noch zu schüren.
    Der Rabbi gab sich große Mühe, seine Selbstsicherheit zurückzugewinnen. Er setzte sich und brachte sogar ein Lächeln zustande. «Also gut», sagte er, «dann beantrage ich eine nochmalige Abstimmung über den Antrag, den Goralsky-Block zu verkaufen.»
    «Das ist Teil desselben Antrags», entgegnete der Sekretär. Die Vorstandsmitglieder grinsten, als ihnen klar wurde, wie geschickt es von ihrem Vorsitzenden gewesen war, den Antrag so zu formulieren, dass er sich auf den Erwerb des Petersville-Grundstücks und auf den Verkauf des Goralsky-Blocks bezog.
    «Es handelt sich um zwei separate Aktionen», widersprach der Rabbi. «Die kann man doch nicht einfach verbinden, indem man sie in einem einzigen Antrag abfertigt.»
    «Warum denn nicht? Der Kongress macht das doch dauernd», antwortete Goodman. «Wenn der Antrag so abgefasst war, dann ist das eben der Antrag.»
    Und geflüstert zu seinem Nachbarn: «Der Rabbi sitzt aber schön in der Klemme.»
    Kaplan überlegte. «Ich sehe eine gewisse Berechtigung in Ihrer Argumentation, Rabbi. Ich werde den Antrag zulassen. Will ihn jemand unterstützen?»
    «Worum geht’s denn jetzt eigentlich?», fragte der Sekretär. «Ich habe den Faden verloren.»
    «Der Rabbi hat Neuabstimmung über den Antrag zum Verkauf des Goralsky-Blocks beantragt, und ich lasse den Antrag zu, obwohl der Sekretär zutreffend darauf hingewiesen hat, dass der Verkauf Teil des Antrags zum Erwerb des Petersville-Grundstücks ist. Also was ist – unterstützt jemand den Rabbi?»
    Abermals Schweigen.
    Kaplan lächelte. Einige andere grinsten und zwinkerten sich voll Genugtuung zu. Paul Goodman lachte laut heraus.
    «Unsere Vorstandsmitglieder sind offenbar überzeugt, dass sie schon beim ersten Mal richtig gehandelt haben, Rabbi», sagte Kaplan.
    «Oder gut gedrillt waren», gab der Rabbi bitter zurück. «Sie lassen mir keine andere Wahl: Ich werde einen din-tojre abhalten.»
    «Was hat er gesagt? Einen din-tojre ? Was ist ein din-tojre ?»
    «Das ist so etwas Ähnliches wie ein Gerichtsverfahren. Er will ein Gerichtsverfahren abhalten.»
    «Wieso? Kann er das denn?»
    «Einen Moment mal, Rabbi», sagte Kaplan, dessen Gelassenheit einen kleinen Knacks bekommen hatte. «Gegen wen wollen Sie ein Gerichtsverfahren abhalten?»
    «Gegen Sie alle, einzeln und gemeinsam.»
    «Lassen Sie mich das mal klarstellen», forderte Kaplan. «Sie wollen ein Gerichtsverfahren oder eine Verhandlung abhalten und uns alle …»
    «Mir bleibt ja nichts anderes übrig», antwortete der Rabbi sanft. «Es ist zu einer schweren Übertretung der halacha gekommen.»
    «Was redet er da?»
    «Was ist halacha ?»
    «Er sagt, wir haben das Gesetz übertreten.»
    «Was für ein Gesetz? Beschuldigt er uns …»
    «Ruhe! Ruhe! Bitte um Ruhe, Gentlemen.» Kaplan betätigte sein Hämmerchen. In die vorübergehende Stille sagte er: «Lassen Sie mich das klarstellen, Rabbi. Ich weiß, dass Sie gegen diesen Beschluß sind. Das haben Sie mir selbst gesagt. Wollen Sie darum jetzt eine Gerichtsverhandlung inszenieren, bei der Sie selbst als Richter, Jury und Kläger fungieren?»
    «Das ist ein berechtigter Einwand, Herr Vorsitzender», gab der Rabbi zu. «Ich bin in dieser Angelegenheit nicht neutral. Darum werde ich sie dem Rabbinerrat von Groß-Boston vorlegen. Hält man

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