Am Mittwoch wird der Rabbi nass
inneren Frieden verschaffen soll. Nun war es eindeutig Mr. Goralskys Wunsch, Aptakers Mietvertrag zu verlängern, daher ist dieser Wunsch nach jüdischem Recht ebenso gültig wie die im Testament niedergelegten Wünsche.»
«Ja, aber woher sollten wir das wissen?», fragte Goodman.
«Das konnten Sie nicht wissen; darum erwartet man ja auch, dass Sie sich bei Ihrem Rabbi Rat holen», antwortete der Rabbi zuckersüß.
«Nein, ich meine, was Goralsky mit Aptaker vorhatte.»
«Aus Aptakers Brief, den er der Synagoge schrieb. Ich werde ihn Ihnen vorlesen.» Er nahm ein Blatt Papier aus dem Aktenhefter und schob seine Brille auf die Stirn, um besser lesen zu können. «Hier steht’s. ‹Kurz vor seinem Tod erklärte sich Mr. Goralsky einverstanden, meinen Mietvertrag zu denselben Bedingungen zu verlängern, und war so freundlich, mir zu schreiben, er tue das gern, da er mich für einen guten Mieter halte. Wie aus beigefügtem Schreiben ersichtlich.› Und das ist eine Kopie des Briefes, den ich Ihnen eben vorgelesen habe.»
Die Vorstandsmitglieder bewegten sich unruhig auf ihren Stühlen und warfen Kaplan verstohlene Blicke zu, als erhofften sie sich von ihm Verhaltensmaßregeln. Jetzt sprach zum ersten Mal Dr. Muntz. «Damit wollen Sie sagen, Rabbi, die Synagoge sei aufgrund des Talmudgesetzes verpflichtet, dem Gesuch Aptakers um Mietverlängerung zu entsprechen, weil Mr. Goralsky es so wollte?»
«Genau, das wollte ich damit sagen, Doktor.» Der Rabbi sah sich triumphierend um.
Jetzt regte sich Kaplan wieder. «Augenblick mal, Rabbi! Ich bin kein Talmudkenner, aber mein Schwiegervater war einer, und ich habe mit Edie zu Beginn unserer Ehe einige Jahre bei ihm gewohnt. Außerdem habe ich Jura studiert. Wir haben häufig über das Recht im Allgemeinen diskutiert, und ich erinnere mich, dass er sagte, sobald ein Unterschied zwischen dem Talmudgesetz und dem Landesgesetz bestehe, gelte nur das Landesgesetz.»
Der Rabbi nickte. « Dina de-maichuta, dina. Das Gesetz des Landes ist das Gesetz.»
«Na, aber dann …» Kaplan lehnte sich, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen, bequem zurück.
«Dieser Grundsatz ist aber stark eingeschränkt», erwiderte der Rabbi, ebenfalls lächelnd. «Einige Rabbiner meinen, er solle nur auf Fälle angewandt werden, die ausschließlich die Verwaltung des Landes betreffen, etwa bei der Besteuerung. Verständlicherweise kann er nicht durchweg angewendet werden, sonst würde dadurch ja der Talmud, das Gesprochene Gesetz, in dem wir, genau wie im Geschriebenen Gesetz, der Thora, das Wort Gottes sehen, ganz und gar außer Kraft gesetzt werden. Nein, nein, nur dort, wo unser Gesetz dem säkularen Gesetz widerspricht, wo es nicht mit ihm übereinstimmt, wo etwas, das wir für legal halten, unter dem säkularen Gesetz illegal ist, findet dieser Grundsatz Anwendung, und zwar aus auf der Hand liegenden, rein praktischen Gründen.»
«Geben Sie uns ein Beispiel, Rabbi», schlug Dr. Muntz vor.
«Nun gut. Da wir gerade von Testamenten sprechen, werde ich Ihnen ein Beispiel aus dem Erbrecht geben. Wenn ein Mann stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben, wird sein Nachlass nach dem säkularen Recht unseres Landes zwischen seiner überlebenden Frau und seinen Kindern aufgeteilt, wobei männliche und weibliche Nachkommen den gleichen Anteil erhalten. Im jüdischen Recht aber wird der Nachlass nur unter die männlichen Nachkommen verteilt, wobei der Erstgeborene den doppelten Anteil erhält. Der Unterhalt unverheirateter Töchter und ihre Mitgift gehen jedoch zu Lasten der Erbmasse und haben Vorrang vor der Erbschaft der Söhne. In einer derartigen Angelegenheit würde zweifellos das säkulare Recht Anwendung finden. Nehmen wir andererseits den Fall einer Frau, die von einem säkularen Gericht geschieden wird. Nach dem säkularen Recht darf sie wieder heiraten. Aber nicht nach dem jüdischen Recht – jedenfalls nicht, bis sie ein jüdisches Scheidungsurteil bekommen hat, einen get. Hier läuft das jüdische Recht dem säkularen Recht nicht zuwider, sondern es kommt ergänzend hinzu. Ähnlich liegt unser gegenwärtiger Fall, bei dem sowohl das jüdische als auch das säkulare Recht daran interessiert sind, dass die Wünsche des Erblassers ausgeführt werden. Aus eindeutig verwaltungstechnischen Gründen und um endlose Streitigkeiten zu vermeiden, verlangt das säkulare Recht, dass der Erblasser seine Wünsche in einem Testament niederlegt, während alles, was nicht in diesem Dokument
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