Am Montag flog der Rabbi ab
schwieg, doch seine Augen leuchteten.
«Wohnen wir weit von hier?», erkundigte sich Miriam.
«Nur um die Ecke. Das hier seht ihr jeden Tag, und es wird euch nie über werden.»
12
Vater und Sohn schüttelten sich die Hände, schlugen sich auf den Rücken und traten zurück, um einander anzusehen. Dan Stedman hatte tatsächlich vorgehabt, im Grillraum zu essen, wo er seinem Sohn voraussichtlich interessante Leute zeigen könnte – die Frau des britischen Konsuls, den ersten Sekretär der amerikanischen Botschaft. Er war kein Angeber, der mit Namen um sich warf, aber er wünschte sich dringend, dass sein Sohn eine gute Meinung von ihm hatte. Und dann hatte er sich gegen den Grill entschieden, und zwar aus demselben Grund: Leute, die ihn kannten, würden sich mit ihm unterhalten wollen, und an diesem Abend wollte er seinen Sohn ganz für sich haben.
Als er Roys Aufzug sah, war er doppelt erfreut, dass er keinen Tisch im Grill bestellt hatte; Abram, der Oberkellner, hätte bestimmt Einwände erhoben. So schlug er den Artist’s Club vor, was sich als gute Wahl herausstellte, da einige der jugendlichen Gäste ganz ähnlich wie sein Sohn gekleidet waren.
Dan hatte Roy von seiner Mutter, von seinem Onkel Hugo und von Tante Betty berichtet; dann die Zustände in den Staaten geschildert; das Wetter dort – «der ärgste Winter, den wir seit Jahren hatten. Du weißt gar nicht, was du für ein Glück hast, hier zu sein» – und seine nächsten Pläne: «Ich bleibe eine Zeit lang in Jerusalem und fahre dann im Land herum – Haifa, Tel Aviv und ein paar kleinere Orte, vielleicht sogar etliche Moschawim und Kibbuzim.» Allerdings könnte sich die Transportfrage als schwierig erweisen. «Das Dumme ist, kaufe ich mir einen neuen Wagen, dauert das Monate, bis ich ihn kriege, und miete ich einen, kostet es mich ein Vermögen.»
«Und warum nimmst du keinen guten Gebrauchtwagen?», fragte Roy.
«Ach, mit Gebrauchtwagen ist das so ’ne Sache. Du bist nie sicher, was du kriegst, und wenn du einen Fachmann mitnimmst, wer sagt dir, dass er nicht mit dem Händler unter einer Decke steckt?»
«Da gibt’s diesen Memavet, der inseriert in der Jerusalem Post , vielleicht auch in den hebräischen Zeitungen, aber die lese ich nicht. Er kauft und verkauft Autos. Gerade jetzt sieht’s so aus, als ob du einen Wagen teurer verkaufen kannst, als du dafür bezahlt hast.»
«Ich könnte ja mal bei ihm vorbeigehen. Ich hab mich schon ein bisschen umgeschaut – nicht hier, aber in Tel Aviv –, und was ich da gesehen habe, war mehr oder minder schrottreif.»
«Ach nee? Wie lang bist du denn schon hier, Dad?»
Dan errötete und sagte dann leichthin: «Na, ein paar Tage. Ich wollte zuerst ein paar Bekannte in Tel Aviv besuchen und das hinter mich bringen, bevor ich nach Jerusalem kam und dich sah. Du verstehst schon.»
«Klar.» Roy begriff es zwar nicht recht, sah aber keinen Sinn darin, das Ganze aufzubauschen. Vielleicht waren die «Bekannten», die sein Vater aufgesucht hatte, weiblichen Geschlechts …
«Deine Mutter meint, du bist hier nicht sehr glücklich», wechselte Dan das Thema.
«Du weißt doch, wie das ist. Die Jungen hier und die Mädchen dito sind alle solche verdammten Helden. Wie die Texaner in den Staaten. Ja, genau das sind sie – jüdische Texaner. Du glaubst, jeder Einzelne hat persönlich den Sechs-Tage-Krieg gewonnen. Dauernd fragen sie dich, wie dir Israel gefällt. Und wenn du dich überschlägst und ihnen erzählst, wie wundervoll es ist und wie großartig sie sind, grinsen sie entweder und spielen auf verlegen, oder sie machen ein Gesicht, als hättest du genau den Nagel auf den Kopf getroffen. Dabei wirst du aber den Eindruck nicht los, als ob es sie ein bisschen überrascht, dass ein Idiot wie du so intelligent und einsichtsvoll ist. Aber Gott behüte, du machst auch nur die leiseste kritische Bemerkung über ihr einmaliges Land! Zum Beispiel darüber, dass die Leute ihr Bettzeug vorn auf der Veranda hinhängen oder ihre Teppiche mitten auf der Hauptstraße klopfen; oder über die dauernde Bettelei. Du ahnst ja nicht, was du dann alles zu hören kriegst. Sie erklären dir, wieso das so und nicht anders sein muss, oder dass die Bibel es so bestimmt. Nimm nur die Sache mit den Bettlern. Ich erwähnte mal so in etwa, dass irgendwer hier dauernd die Hand aufhält, und kriege zur Antwort, dass die Bibel sagt, man soll Almosen geben; also leisten diese Kerle einen wichtigen Dienst, indem sie da sind und die
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