Am Montag flog der Rabbi ab
milden Gaben in Empfang nehmen. Du hast quasi ihnen den Segen für deine gute Tat zu verdanken.» Sein Vater lachte. «Nun, es ist ein neues Land …»
«Sicher, aber es ist nicht das einzige Land, und die übrige Welt ist nicht nur dazu da, ihnen zu helfen. Und sie fordern dich ständig heraus. Wieso war Amerika in Vietnam und in Kambodscha? Wieso behandeln wir die Schwarzen schlecht? Wieso tun wir nicht was für die Armen? Wieso lassen wir unsere Flüsse und Seen verschmutzen? Du bist dauernd in der Defensive.»
Sein Vater fixierte ihn spöttisch. «Hast du dich nicht immer über dieselben Dinge beschwert?»
Roy wurde rot. «Klar, aber sie drücken es so aus, dass du das Gefühl hast, du schmeißt dich an sie ran, wenn du ihnen zustimmst. Und sie übertreiben alles, und dann versuchst du, ihnen zu sagen, wie’s wirklich ist. Na ja, und bald verteidigst du praktisch alles Amerikanische, sogar Dinge, die dir selber nicht gefallen. Und ablehnend sind sie! Du kannst kaum einen von denen dazu bewegen, dass er dir sagt, wie spät es ist. Vor allem die Mädchen. Du willst dich mit einer verabreden, und schon hat sie angeblich was vor oder ist gerade ausgegangen.»
«Wie steht’s mit den anderen amerikanischen Studenten?»
«Tja, sie gehören nicht zu der Sorte, mit der ich in den Staaten rumziehen würde, das kann ich dir flüstern», sagte Roy. «Außerdem sitzen sie im gleichen Boot, was soll’s also? Wir sind wie die Mauerblümchen bei ’ner Tanzerei, die sich auf eigene Faust zu amüsieren versuchen. Für die Mädchen ist’s sogar noch schlimmer. Die Jungen hier tun so, als wär’s ’ne Gnade, wenn sie ihnen guten Tag sagen. Ich treibe mich die meiste Zeit mit den arabischen Studenten rum», fügte er beiläufig hinzu.
«Mit arabischen Studenten?»
«Klar. Reg dich nicht auf, Dad. Das ist jetzt gerade in. Sich mit einem Araber anfreunden. Viele von den Israelis vertreten den Standpunkt, dass ihnen die Araber viel näher sind als wir. Sie wären ja auch Israelis.»
«Verstehe. Also deshalb bist du unglücklich.»
«Na ja, ich hatte wohl gerade ’n Tiefpunkt, als ich Ma schrieb. Ich hatte Heimweh und hätte sonst was gegeben für einen Hamburger oder ’ne Pizza oder für ’nen neuen Film. Und ich war allein hier …»
Dan war erfreut über diese Einleitung. «Aber jetzt bin ich ja da», sagte er.
«Klar. Und glaub bloß nicht, dass ich mich nicht freue. Und bei den Reisen, die du vorhast … vielleicht könnte ich da mitfahren und dich am Steuer ablösen?»
«Und die Schule …»
«Ach, jeder nimmt mal frei, manchmal sogar ’nen ganzen Monat. Damit wird gerechnet. Na, wie ist’s, Dad?»
Eine verlockende Vorstellung – lange gemeinsame Fahrten, Übernachtungen in kleinen Hotels, Mahlzeiten in abgelegenen Lokalen, Gespräche, gegenseitiges Vertrauen, die Entschädigung für die Jahre der Trennung. Vielleicht könnte er sogar Einfluss auf seinen Sohn gewinnen, ihm Denkanstöße geben, seinen Charakter formen – all das, was ein Vater für seinen Sohn tun sollte. Er lächelte. «Roy, die Sache ist abgemacht.» Trotz aller Anstrengungen zitterte seine Stimme.
13
Bis sie den Wagen entladen und ihre Koffer ausgepackt hatten, war es Nacht geworden. Sie kam plötzlich, wie es in den Tropen der Fall ist, und die Luft wurde kühl. Sie waren müde und hungrig, und Miriam schlug vor, in ein Restaurant essen zu gehen.
«Ein Restaurant? Das ist ein unnötiger Luxus», erklärte Gittel. «Es gibt doch Geschäfte – direkt gegenüber ist ein Lebensmittelladen. Dort können wir alles kaufen, was wir brauchen, es anrichten und auf den Tisch bringen, bevor ein Kellner in einem Lokal auch nur unsere Bestellung aufnehmen würde. Und was sollten wir außerdem mit dem Kind machen?»
Eine gute Frage, denn der Rabbi hatte den fest schlafenden Jonathan aus dem Auto ins Haus getragen, ihn ausgezogen und zu Bett gebracht, ohne dass er aufgewacht wäre.
Gittel machte weitere Pläne für sie. «Morgen früh müssen wir für den Sabbat einkaufen gehen, Miriam – am Sabbat ist nämlich alles geschlossen. Ich zeige dir eine große Markthalle nicht weit von hier, wo du mit einem kleinen Wagen rumfahren und alles mitnehmen kannst, was du möchtest, genau wie in Amerika. Aber vorher müssen wir die Sache mit Jonathans Schule regeln. Um die Ecke ist ein Kindergarten …»
«Ich hatte nicht vor, ihn in die Schule zu schicken», wandte Miriam ein.
«Und was soll er sonst tun? Alle Kinder sind in der Schule. Wenn er nicht
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