Am Montag flog der Rabbi ab
«Gesegnet sei die Ankunft in Israel», und dann in Englisch: «Willkommen in Israel.»
Offenbar hatte es kurz zuvor geregnet, denn auf dem Weg zur Abfertigungshalle waren überall Pfützen. Sie hielten Jonathan fest an der Hand, damit er nicht mitten hindurchwatete. Die Luft war mild und klar wie an einem Maimorgen.
Eine große Menschenmenge wartete hinter der Zollschranke, um Freunde und Verwandte in Empfang zu nehmen. Während sie das Rollband mit dem Gepäck im Auge behielten, suchten Miriam und der Rabbi unter den vielen Gesichtern nach einem, das dem etliche Jahre alten Foto von Gittel aus dem Familienalbum ähnelte. Als sie mit ihrem Gepäck den Zoll passiert hatten, war die Menschenmenge bereits erheblich zusammengeschmolzen, aber sie entdeckten immer noch niemand, der Gittel sein könnte. Sie erschien erst, nachdem sie sich auf eine Bank gesetzt hatten und Miriam ihre Tasche nach ihrem Adressbuch durchstöberte. «Familie Small? Miriam?», fragte Gittel ängstlich.
«Oh, Gittel!»
Sie drückte Miriam an die Brust und streckte dann schüchtern dem Rabbi die Hand hin. Er schüttelte sie und küsste sie auf die Wange.
«Und das ist Jonathan!» Gittel hielt ihn auf Armeslänge von sich und riss ihn gleich darauf stürmisch an ihr Herz. Als sie ihn freigab, trat sie einen Schritt zurück, um die ganze Familie zu betrachten. Und dann wurde sie sachlich. «Mein Wagen wollte nicht anspringen», erklärte sie. «Bei Regen ist die Batterie … Na ja, und heute Morgen hat es geregnet – das erste Mal seit Wochen –, die Felder brauchen dringend Wasser, aber ihr habt den Regen gebracht. Ein gutes Omen. Seid ihr hungrig? Möchtet ihr vielleicht einen Kaffee? Nein? Dann fahren wir los.»
Mit ihrem Regenschirm winkte sie einen Träger nebst Gepäckwagen herbei, trieb sie alle durch den Vordereingang hinaus und befahl ihnen, hier an dieser Stelle – sie bezeichnete sie genau mit der Spitze ihres Regenschirms – zu warten, bis sie ihren Wagen vom Parkplatz geholt hätte. Bevor der Rabbi ihr seine Begleitung und Hilfe anbieten konnte, war sie verschwunden. Diesmal jedoch musste die Batterie funktioniert haben, denn sie brauchten nicht lange zu warten. Das Auto knatterte über die Zufahrt, laut hupend verscheuchte sie jeden, der womöglich auf die von ihr erwählte Parklücke spekulierte, und sprang dann heraus. Sie zerrte aus dem Kofferraum eine hoffnungslos verfitzte Schnur, gab sie dem Gepäckträger und passte auf, dass er die Koffer richtig auf dem Wagendach verstaute und festband.
Der Rabbi flüsterte ihr zu: «Wie viel soll ich ihm geben?»
«Das erledige ich», erklärte sie bestimmt. «Du kannst es mir später zurückgeben. Er würde dich bloß übers Ohr hauen.»
Als der Rabbi auf dem Gehsteig wartete, bis der Gepäckträger fertig war, näherte sich ihm ein jüngerer Mann im langen Kaftan, auf dem Kopf den breitrandigen schwarzen Filzhut der Orthodoxen. Er hatte einen Vollbart und lange, sorgfältig gelegte Ohrlocken, die Pejess . Er schlich sich an den Rabbi heran und fragte in Jiddisch: «Sie sind aus Amerika?»
«Ja.»
«Das ist vielleicht Ihre erste Reise hierher?»
«Genau.»
«Dann werden Sie sicher als erste Tat im Heiligen Land ein gutes Werk tun wollen. Ich sammle für eine Jeschiwa …»
Gittel, die den Träger bereits bezahlt hatte, hörte das und polterte in Hebräisch los: «Sie sollten sich schämen. Ein Fremder kommt ins Land, und kaum ist er da, schon stürzt ihr Schnorrer euch auf ihn. Was für einen Eindruck soll er denn von uns kriegen?» Sie schob den Rabbi in den Wagen und setzte sich hinters Steuer. «Übrigens», fuhr sie durch das heruntergekurbelte Fenster fort, «ist er ein berühmter Rabbi in Amerika.» Und zum Abschied, als sie den Gang einlegte: «Er ist selber in dem Geschäft.»
Der Rabbi hielt ihr vor: «Ich beschäftige mich nicht damit, Gelder zu sammeln. Das tun die meisten Rabbis in Amerika nicht.»
Sie drehte sich um und klopfte ihm auf die Schulter, wobei sie um ein Haar mit einem anderen Auto zusammenstieß. «Ich weiß, ich weiß, aber das ist das einzige Argument, das bei dieser Sorte zieht.»
Auf der Fahrt beschrieb sie mit der Geschwindigkeit eines Schnellfeuergewehrs die vorbeiziehende Gegend. «Der Hain – vor zehn Jahren war da nichts als Sand und Steine … Dort drüben, direkt hinter dem Haus – das gab’s damals noch nicht – wurde ein guter Freund von mir von den Arabern überfallen und kaltblütig erschossen … Die Straße führt zu
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