Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
Vom Netzwerk:
hier mit meinem Freund Moshe und …»
    «Aha. Haben Sie sich den Mann genau angesehen?», fragte Ish-Kosher. «Können Sie ihn beschreiben?»
    «Beschreiben?» Ein unsicherer Blick zu Moshe. «Ein großer Mann. Stimmt’s, Moshe?»
    Moshe nickte.
    «Vielleicht eins achtzig, Moshe?»
    «Eins achtzig auf jeden Fall.»
    «Haarfarbe, Augenfarbe?», wollte Ish-Kosher wissen.
    «Dunkel. Es war ja spät in der Nacht. Hast du seine Augen gesehen, Moshe?»
    Moshe schüttelte den Kopf.
    «Wie alt war er?»
    «Ein richtiger Mann. Ich meine, kein Junge. Fünfzig vielleicht. Würdest du auch sagen fünfzig, Moshe?»
    «Fünfzig mal sicher. Vielleicht sogar fünfundfünfzig.»
    «Was hatte er an?»
    «Hut und Mantel. Darum kann ich nicht sagen, was für ’ne Haarfarbe. Er hatte ’n Hut auf.»
    «Und er war Amerikaner? Woran haben Sie das gemerkt? An seinem Hebräisch?»
    «Sein Hebräisch war gut, aber er hat nicht so geredet wie wir. Als ob er es studiert hat. Sie verstehen, was ich meine?»
    «Gut. Er fragte Sie also, wie er zur Victory Street kommt, Sie erklärten es ihm, und er ging davon?»
    «N-nein, nicht direkt. Er wollte nach Nummer fünf, und das war in unserer Richtung. Also gingen wir miteinander und redeten.»
    «Du hast geredet», sagte Moshe.
    «Von mir aus hab ich geredet. Hab ich ihm irgendwelche Geheimnisse verraten?»
    «Worüber sprachen Sie?», fragte der Inspector.
    «Na, so wie man sich eben unterhält. Über die Regierung, über Steuern, über den Krieg – Sie wissen schon, wie man eben so redet.»
    «Und Sie gingen mit ihm bis zu dem Haus, zu dem er wollte?»
    «Nein. Wir sind bis zur Querstraße mitgegangen, und ich hab ihm gesagt, er soll da langgehen, das wär der Anfang von Victory Street. Und Nummer fünf wär das zweite oder dritte Haus nach der Ecke.»
    «Und er ging die Querstraße hinunter …», drängte Ish-Kosher.
    «Nein.» Shmuel lächelte erfreut, weil er den Inspector reingelegt hatte. «Er sah auf seine Uhr und sagte, es wär vielleicht zu spät, jemand zu besuchen. Er bedankte sich bei uns und ging weiter die Alfont Street runter.»
    Ish-Kosher bedachte seinen Assistenten mit einem seltsamen Blick, nachdem dieser die beiden hinausbegleitet hatte. «Ich hab Ihnen ja gesagt, ich glaube nicht, dass da viel dran ist, aber …», stotterte Aaron.
    «Aber wir haben nichts weiter», ergänzte sein Chef. «Und trotzdem ist es eigenartig, wenn man ein bisschen darüber nachdenkt. Elf Uhr – ziemlich spät für einen Besuch, praktisch genauso spät wie ein paar Minuten später, als er selber fand, es sei zu spät. Könnte nicht schaden, sich ein bisschen umzuhören. Viel verspreche ich mir nicht davon, wissen Sie. Wahrscheinlich ist Adumis Methode die richtige, einen Haufen Araber festzunehmen und sie in der Hoffnung zu verhören, dass einer die Nerven verliert und was zugibt. Trotzdem – in meinem Bezirk ist ein Mann getötet worden. Dass er durch eine Bombe ums Leben gekommen ist, tut nichts zur Sache. Es war Mord, und für Mord bin ich zuständig. Es könnte also der Mühe wert sein, nach Victory Street fünf zu gehen und mal zu erkunden, ob einer der Hausbewohner an dem Abend noch einen späten Besuch erwartet hat.»

17
    Am Sonntag wollten die Smalls die Stadt besichtigen. Sie waren zumindest den Vormittag über ungebunden, da Jonathan bis zwei in der Schule blieb und dort seinen Lunch bekam.
    «Sie brauchen sich nicht zu beeilen», sagte Mrs. Rosen, ihre Nachbarin. «Er kann ja mit Shauli spielen, bis Sie zurückkommen.»
    «Wir möchten in die Altstadt und zur Klagemauer», sagte Miriam. «Können wir da rechtzeitig zurück sein?»
    «Natürlich.» Sie erklärte ihnen, welchen Bus sie zum Jaffa-Tor nehmen sollten. «Sie sehen dann schon, es sind überall Hinweisschilder. Es ist nicht weit zur Klagemauer, Sie könnten sogar zu Fuß gehen. Aber beim ersten Mal nehmen Sie lieber den Bus.»
    Sie befolgten den Rat. Kaum hatten sie beim Fahrer bezahlt, als er auch schon losbrauste, und sie zu ihren Plätzen schwankten. Da schnitt ein Auto den Bus, und der Fahrer musste schleunigst auf die Bremse steigen. Er streckte den Kopf aus dem Fenster und brüllte dem Fahrer des Wagens zu: «Es soll dir, Gott behüte, nichts passieren, aber du bist ein Idiot!» Dann legte er wutschnaubend und rot vor Empörung wieder den Gang ein, und sie rollten davon.
    Sie fuhren ein paar Minuten. Der Rabbi und Miriam sahen interessiert aus dem Fenster. Eine Frau in mittleren Jahren, die ein paar Netze voller

Weitere Kostenlose Bücher