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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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zurückbehalten, oder? Wieso müssen sie so ’ne Schau abziehen und so tun, als hätten sie ihn verlegt?»
    Abdul überlegte kurz und suchte nach den richtigen Worten. «Verstehst du, Roy, wenn sie deinen Pass wegnehmen, ist das ’ne Amtshandlung. Du nimmst dir dann ’nen Anwalt oder gehst zum amerikanischen Konsulat, oder der Rechtsanwalt erledigt das für dich, und sie verlangen, dass der Pass zurückgegeben wird oder dass man dich offiziell anklagt, damit der Fall vor Gericht verhandelt werden kann. Aber sie haben kein ausreichendes Beweismaterial, um die Sache vor Gericht zu bringen; sie sind noch damit beschäftigt, das Beweismaterial zusammenzustellen.»
    «Wie meinst du das?»
    «Sogar wenn der Angeklagte eindeutig schuldig ist», erklärte Abdul, «muss man unbedingt das Beweismaterial zusammentragen. Die Polizei kann nicht zum Richter gehen und sagen, der Mann hat unserer Meinung nach das und das Verbrechen begangen, und wir möchten, dass das Gericht ihn zu soundso viel Jahren verurteilt. Sie müssen Beweise vorlegen, Punkt für Punkt. Das braucht Zeit. Und da handelt sich’s um einen Fall, in dem der Angeklagte tatsächlich schuldig ist. Ist er aber nicht schuldig, erfordert es sogar noch mehr Zeit.»
    Roy war entsetzt. «Du meinst, sie versuchen, mich reinzulegen?»
    Abdul zuckte die Achseln und lächelte.
    «Aber warum? Warum ausgerechnet mich?»
    «Weil du dort warst. Die Polizei möchte natürlich gern beweisen, wie tüchtig sie ist. Wie machen sie das? Sie verhaften Leute, stellen sie vor Gericht und lassen sie verurteilen. Wird das in Amerika denn nicht so gemacht?»
    «Ja, ich glaube, das geschieht überall. Aber hier wissen sie doch, wer’s gewesen ist. Deine Leute haben das gemacht.»
    Abdul wurde plötzlich eisig, seine Augen verengten sich. «Was meinst du damit – meine Leute?»
    «Na, die Terroristen. Sie haben’s doch zugegeben.»
    Abdul entspannte sich und lächelte wieder. «Das Dumme ist nur, dass sie’s alle zugegeben haben, sämtliche Kommandogruppen. Ich fürchte, sie tun das wohl jedes Mal, wenn hier in Israel was passiert. Es ist ganz natürlich, dass sie es als ihr Verdienst buchen wollen. Aber ebendeshalb möchte die israelische Regierung beweisen, dass es von jemand anders getan wurde, von dir zum Beispiel. Es ist kein angenehmes Gefühl für die Leute hier, dass die Kommandos bis mitten in den jüdischen Teil der Stadt vordringen können. Das macht sie nervös. Sie schlafen nachts nicht gut. Und es bedeutet auch, dass der Schutz nicht so ausreichend ist, wie sie’s die Bevölkerung glauben machen möchten. Wenn sie also beweisen können, dass es die Tat eines Einzelgängers war, würde das ja heißen, dass es nicht die Kommandos gewesen sind.»
    Roy faltete die Hände und öffnete sie wieder. «Aber was kann ich denn da tun?»
    «Jetzt verstehst du vielleicht den Unterschied zwischen deinen und meinen Leuten. Wäre das ein arabisches Land, würden wir den zuständigen Beamten ausfindig machen und ihm Bestechungsgeld anbieten. Sollte das nicht möglich sein, würden wir Kontakt zu einem Büroangestellten herstellen, der vielleicht die Akte verlegen könnte. Verstehst du? Es wäre nicht schwierig …»
    «Sei doch realistisch», bat Roy. «Was, glaubst du, sollte ich tun?»
    «In deiner Lage würde ich das Land verlassen – nein, das ist ja unmöglich, weil sie deinen Pass weggenommen haben. Es wäre gut, wenn du dich irgendwo verstecken könntest. Geh eine Weile in eine andere Stadt. Besuch jemand in Haifa oder Tel Aviv.»
    «Wozu soll das gut sein? Die Polizei könnte mich schnappen …»
    «Nicht, wenn sie dich nicht finden können. Hast du keinen Freund, den du besuchen könntest, einen, auf den du dich verlassen kannst? In der Zwischenzeit kann dein Vater zur amerikanischen Botschaft in Tel Aviv gehen und zusehen, was er erreicht. Er ist doch ein einflussreicher Mann, hast du mir erzählt.»
    «Er ist schon dort.»
    «Aha. Dann bin ich sicher, er kann irgendwas deichseln», meinte Abdul beschwichtigend. «Ich bin überzeugt davon, du brauchst dir in dem Fall wirklich keine Sorgen zu machen.»
    «Na ja, vielleicht hast du Recht.» Doch im Innern dachte er, dass Abdul ihm nur Sand in die Augen streuen wollte, weil er genau wusste, dass die Situation verfahren war.

37
    In dem Verzeichnis, das über die verschiedenen Ressorts der amerikanischen Botschaft Auskunft gab, stand in einem Rechteck der Name Michael Donahue. Doch es ging daraus nicht klar hervor, welche Aufgaben

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