Am Montag flog der Rabbi ab
sechsmal zwei Wochen, also zwölf Wochen oder drei Monate. Ich glaube, wenn da einer fragt, könnte ich drei Monate bezahlten Urlaub vertreten.› Und was meinen Sie, was der Rabbi drauf antwortet? Er sagt, er hat über die Sache nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass er kein Geld nehmen sollte, solange er in Urlaub ist. Und für mich heißt das, er ist praktisch von seinem Posten zurückgetreten», schloss Drexler triumphierend.
«So sehe ich es auch», pflichtete Bert Raymond bei.
Das Gesicht von Rabbi Deutch bekam einen geistesabwesenden, entrückten Ausdruck, seine Augen blickten über sie hinweg, als richte er sich an ein unsichtbares Publikum. «Die Verantwortung, die in der geistigen Führung einer Gemeinde beschlossen liegt, kann eine schwere Belastung für die Nervenkräfte darstellen, gentlemen. Ich erinnere mich gut, dass mir als jungem Mann in meiner ersten Stellung mehr als einmal der Gedanke kam, um meines Seelenfriedens willen sollte ich die ganze Sache hinwerfen und etwas anderes anstreben. Es kann durchaus sein, dass er müde, erschöpft, ausgelaugt war, als Sie zu ihm kamen. Hätte er es nicht gesagt, wenn er die Absicht hatte, von seinem Amt zurückzutreten?»
«Na ja, das haben wir uns auch überlegt», gestand Bert Raymond, «und deshalb sind wir auch nicht eher an Sie herangetreten. Doch kürzlich ist einer von der Gemeinde, V. S. Markevitch, ich glaube, Sie kennen ihn …»
«Allerdings.»
«Also, V. S. mag keine Leuchte sein, aber ein Idiot ist er auch nicht. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, und das heißt, er hat Erfahrung im Umgang mit Menschen. Er hat Rabbi Small in Israel gesehen und den Eindruck gewonnen, dass Rabbi Small nicht vorhat, zurückzukommen. Vielleicht denkt er sogar daran, den Beruf aufzugeben. Das geht aus dem Bericht von V. S. hervor.»
«Trotzdem – Sie können doch nicht nach dem Hörensagen urteilen …»
«Das tun wir ja auch nicht, Rabbi», entgegnete Marty Drexler. «Wenn wir sicher wären, dass Rabbi Small nicht zurückkommt, hätten wir im Vorstand darüber abgestimmt und wären dann mit einem definitiven Angebot zu Ihnen gekommen. Wir fragen Sie ja nur eins – würden Sie eventuell bleiben mögen, wenn sich die Gelegenheit ergibt? Ich meine, wenn Sie gedacht haben, Sie sind hier in ein paar Wochen fertig, und mit ’ner anderen Gemeinde liebäugeln …»
«Nein, ich habe nichts ins Auge gefasst …»
«Na, also warum dann nicht hier bleiben?»
«Wie ich schon sagte, darüber muss ich nachdenken. Ich muss es mit meiner Frau besprechen und sehen, wie sie dazu steht.»
«Selbstverständlich», sagte Raymond rasch. «Reden Sie auf alle Fälle mit Mrs. Deutch darüber. Später können wir uns ja dann nochmal unterhalten. Im Augenblick tun wir nichts weiter, als uns … nun, nennen wir’s … gegen den Verlust absichern.»
36
In seinen Gesprächen mit Roy kleidete Abdul seine Kritik an der Regierung oder an der israelischen Gesellschaft immer in eine frotzelnde, halb humoristische Form, sodass schwer zu sagen war, ob er es ernst meinte oder nicht.
«Heute war ich auf der Bank, um einen Scheck einzulösen. Ich stand in einer langen Schlange, und als ich endlich zum Schalter vorgedrungen war, sagte mir der Beamte, ich wäre in der falschen Reihe. Also stellte ich mich in einer anderen an. Diesmal prüfte der Schalterbeamte den Scheck und die Unterschrift. Er sah sich die Vorder- und dann die Rückseite an, und ich musste mich identifizieren. Darauf vergewisserte er sich in einer langen Liste, ob der Aussteller ein Bankkunde war, verglich die Unterschriften und sah schließlich nach, ob genügend Geld auf dem Konto war, um den Scheck zu decken. Dann gab er mir was zu unterschreiben und schickte mich zu einem Kollegen. Wieder wartete ich in einer Schlange, musste auch an diesem Schalter nochmal unterschreiben und kriegte dort endlich mein Geld. Das ist das israelische System. Und der Scheck lautete auf zwanzig Pfund.»
«Also etwas über acht amerikanische Dollar.»
«Genau. Ich hätte in der Zeit, die mich das gekostet hat, mehr verdienen können.»
«Und funktioniert es in arabischen Banken besser?», erkundigte sich Roy.
«Nein, aber wir erheben Tüchtigkeit auch nicht zur Tugend. Ihr teilt die Arbeit unter viele Menschen auf, weil es wirksam ist. Bei uns wird ein Job, den einer allein tun kann, unter zwei oder drei aufgeteilt, weil wir meinen, die müssen auch was verdienen. Und die Kosten sind nicht höher, weil wir ihnen nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher