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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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zahlen, aber jeder kriegt ein bisschen. Und Verzögerung stört uns nicht, weil wir daran gewöhnt sind und keine Eile haben. Gewöhnlich bedeutet sie, dass ein Beamter ein Bestechungsgeld erwartet. Wir haben nichts dagegen, weil der arme Mann nur ein kleines Gehalt kriegt und eine große Familie zu ernähren hat und vielleicht auch noch für die Mitgift einer Tochter sorgen muss.»
    «Und was ist, wenn der Mann das Bestechungsgeld nicht aufbringen kann?»
    «Dann hat er vielleicht einen Gönner, der ihm hilft, oder er wartet und leidet ein bisschen. Ist es anders in Amerika, wenn jemand sich keinen Anwalt leisten kann?»
    Roy lachte. Doch da er beunruhigt war und seine Angst beschwichtigen wollte, beschloss er, Abdul zu erzählen, was sich ereignet hatte. Abdul würde die ganze Angelegenheit zurechtrücken; er würde ähnliche Beispiele zitieren, bei denen er die Beschränktheit der Polizei erlebt hatte. «Na ja, vielleicht hast du Recht. Aber lass mich dir erzählen, was mir passiert ist.» Und er berichtete die Geschichte von Anfang an.
    «Memavet?», unterbrach ihn Abdul. «Du bist zu Memavet in die Wohnung gegangen? Aber das war doch dort, wo …»
    «Ja, ja, ich weiß, hör lieber zu.» Als er davon sprach, was sein Vater zu einem weiteren Besuch am Abend gesagt hatte, lächelte Abdul beifällig.
    «Ein gescheiter Mann, dein Vater. Sein Interesse nicht zeigen, das ist der Trick bei Geschäften. Immer daran denken, dass der Verkäufer genügend Interesse für beide Teile hat.»
    «Ja, stimmt schon …» Roy kam jetzt darauf, wie er abends noch einmal in die Mazel Tov Street gegangen war. Abdul lächelte nicht mehr.
    «Das war nicht sehr intelligent von dir, Roy», sagte er tadelnd. «Wenn dein Vater das rauskriegt, ist er sauer. Und was hast du dir überhaupt davon versprochen? Du konntest doch den Wagen nicht kaufen.»
    «Ich wollte ihn ja bloß anschauen. Ich hatte gar nicht vor, zu Memavet reinzugehen. Ich hab mir nur vorgestellt, er muss jemand angerufen haben, der ’nen Wagen hat, und den hat er dann gebeten, ihn gegen sieben vorbeizubringen. Das Auto müsste also vor seinem Haus geparkt sein, und ich könnte es mir ansehen und vielleicht meinem Alten ’nen Wink geben.»
    «Aber es stand kein Wagen da.»
    «Genau. Jetzt kam mir der Gedanke, da haben wir nun ’ne Verabredung gemacht, und er wollte ’nen Wagen besorgen und ihn uns zeigen. Nichts ist. Also geh ich rein. Er soll sehen, dass wir unsere Abmachung eingehalten haben, er aber nicht. Dann wäre er doch gewissermaßen verpflichtet, verstehst du?»
    Abdul schüttelte mitleidig den Kopf. «Warum wäre er verpflichtet? Und wozu sollte das gut sein? Glaubst du, er würde weniger verlangen, wenn er einen Wagen bekäme? Verlass dich drauf, höchstwahrscheinlich würde er mehr verlangen, weil er gemerkt hat, dass ihr unbedingt einen kaufen wollt.»
    «Na ja, mag sein, ich hab eben andersrum gedacht. Jedenfalls hab ich ihn nicht gesehen, weil er krank im Bett lag. Deshalb hab ich eine Nachricht im Briefkasten hinterlassen, dass ich da gewesen bin.»
    Abdul zeigte Besorgnis. «Die Nachricht ist wahrscheinlich noch im Briefkasten und muss rausgeholt werden. Es sind jetzt Arbeiter dort, arabische Arbeiter, vielleicht kann ich das …»
    «Sie ist rausgeholt worden.»
    «Ein Glück. Ich war schon beunruhigt.»
    «Von der Polizei. Sie haben mich kommen lassen, um mich deswegen zu verhören.»
    Abduls Gesicht wirkte maskenhaft, unbeteiligt. «Weiter.»
    «Na ja, also der Knabe, mit dem ich gesprochen hab, war ziemlich anständig. Ich erzählte ihm, was passiert ist, und er stellte ein paar Fragen. Das war alles. Aber er hat einem Beamten meinen Pass zur Überprüfung gegeben, und als das Verhör zu Ende war und ich darum bat, konnten sie ihn nicht finden. Ich schätze, der Beamte ist weggegangen, vielleicht zum Lunch, und hat ihn mitgenommen. Der Inspector hat gesagt, sie schicken ihn mir zu, aber bis jetzt hab ich ihn noch nicht wieder. Mein Alter macht sich Sorgen deswegen, na, du weißt doch, wie ältere Leute sind – dauernd sehen sie Gespenster.»
    Abdul stand auf und wanderte nervös auf und ab. Schließlich blieb er stehen und sah seinen jungen Freund an. «Dein Vater ist ein gescheiter Mann, Roy. Er macht sich begründete Sorgen.»
    Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. «Hör doch mal zu. Angenommen, sie glauben wirklich, sie haben was gegen mich in der Hand … dann könnten sie mir doch direkt ins Gesicht sagen, dass sie meinen Pass

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