Am Montag flog der Rabbi ab
Tränen zu sein.
«Glaub mir, Betty, ich hab den Jungen sehr gern. Und mit Darlington … Ich hatte ja keine Ahnung … aber … aber wir müssen ja nicht nach Darlington zurückgehen, wenn ich hier fertig bin», besänftigte er sie. «Wir können jetzt überall leben, neue Leute kennen lernen und neue Freundschaften schließen. Wir können uns eine Wohnung in Boston oder Cambridge nehmen, wo ich an der Bibliothek arbeiten …»
«Das hat keinen Sinn, Hugo. Wissenschaftliche Arbeit ist einfach nicht deine Sache. Wenn du wirklich daran interessiert wärst, hättest du dich schon längst damit beschäftigt. Es ist nun mal nicht deine Stärke, dich mit verstaubten Büchern abzuplagen. Du musst mit Menschen zu tun haben. Das liegt dir. Ich weiß, du würdest eine Schau abziehen und jeden Morgen mit einer Aktentasche voller Notizbücher und Bleistifte in die Bibliothek traben, aber beim ersten Anzeichen von schlechtem Wetter wäre es damit aus. Du würdest zu Hause bleiben, dich immer mehr daran gewöhnen, bis du schließlich das Theaterspielen ganz aufgeben und mir von Zimmer zu Zimmer nachschleichen würdest, während ich meine Hausarbeit erledige – zwei alte Leute, die sich nichts zu sagen haben, die einander ständig in die Quere kommen.»
Er antwortete nicht gleich. Beide schwiegen lange. Endlich sagte er: «Was möchtest du, dass ich tue?»
«Die Stellung annehmen, falls sie dir angeboten wird. Überlass es ihnen, das Moralische der Situation zu entscheiden. Das ist ihre Aufgabe.»
40
Die Konferenz zwischen Ish-Kosher und Adoumi hatte in den späteren Vormittagsstunden stattgefunden, und um die Mittagszeit war ein Sergeant der Polizei mit Shmuel, dem Mann von der Bürgermiliz, auf dem Beifahrersitz unterwegs nach Tel Aviv.
Shmuel war sich seiner Sache viel weniger sicher als bei der Vernehmung durch Ish-Kosher. «Verstehen Sie, es war spätnachts und dunkel. Und seitdem hab ich so viele Leute gesehen. Wie kann ich sicher sein, dass es dieser Mann und kein anderer war, der damals mit mir gesprochen hat?»
«Sie wissen doch, wie das geht», meinte der Sergeant. «Vielleicht können Sie einen Menschen nicht beschreiben, aber wenn Sie ihn mal gesehen haben, kommt Ihnen doch meistens etwas an ihm bekannt vor …»
«Und wenn nicht?»
Der Sergeant blieb geduldig. «Das hab ich Ihnen schon erklärt. Sie gehen zu ihm und begrüßen ihn. Grüßt er zurück, und das wird er höchstwahrscheinlich – das tut fast jeder, ob er einen nun kennt oder nicht –, dann sagen Sie: ‹Na, haben Sie das Haus in der Victory Street gefunden?› Ist er der richtige Mann, wird er antworten: ‹ Freilich, kein Problem› oder so ähnlich. Dann fragt er vielleicht, was Sie in Tel Aviv machen, und Sie antworten, Sie haben beruflich hier zu tun, oder Sie treffen sich mit einem Freund – irgendwas.»
«Und wenn er sagt: ‹ Ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden? ›»
«Dann haben Sie eine hübsche Fahrt nach Tel Aviv und zurück gemacht, ’nen Kurzurlaub.»
Am frühen Nachmittag befragte ein anderer Sergeant Ish-Koshers den bärtigen Mechaniker in der Autowerkstatt, wo Memavet seinen Schreibtisch gehabt hatte.
Der Mechaniker schaute verzweifelt auf die Wanduhr und dann nach hinten auf den Wagen, an dem er gearbeitet hatte und der unbedingt fertig werden musste.
«Das alles hab ich schon ein halbes Dutzend Mal mit euren Leuten durchgekaut», murrte er. «Ich hatte mit seinem Geschäft nichts zu tun und weiß auch nichts darüber.»
«Sicher», besänftigte ihn der Sergeant. «Aber wenn der Mann hier einen Schreibtisch innehatte, muss er doch gelegentlich mit Ihnen über seine Kunden gesprochen haben. So beschäftigt konnte er doch nicht gewesen sein, dass er den lieben langen Tag nur am Schreibtisch saß. Gelegentlich muss er doch nichts zu tun gehabt haben und zu Ihnen rübergekommen sein.»
«Freilich, aber …»
«Und dann hat er sich mit Ihnen unterhalten, wie?»
«Natürlich. Er war ja nicht taubstumm.»
«Na, und wovon redet ein Geschäftsmann schon? Von einem Geschäft, das ihm durch die Lappen gegangen ist; von einem großen Fisch, den er an Land gezogen hat; von ’nem Kunden, mit dem er Zores hatte. Ab und zu muss er doch mit irgendwelchen Kunden Scherereien gehabt haben. Das gibt’s doch nicht, dass alle restlos zufrieden gewesen sind.»
«Natürlich, im Geschäftsleben …»
«Na, und ich will ja weiter nichts von Ihnen, als dass Sie zurückdenken und versuchen, sich zu erinnern.»
Der alte Mann packte
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