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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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wir beweisen könnten, dass er sich gegen eines unserer Gesetze vergangen hat, würden sie gar nicht daran denken, ihn loszubitten. Nur haben wir ja nichts weiter als gewisse Verdachtsmomente, die möglicherweise einmal erhärtet werden können, im Augenblick aber ist es eben nichts als ein Schema – na, Sie verstehen schon.»
    «Und was werden Sie tun?», erkundigte sich Ish-Kosher.
    «Vielleicht stoßen Ihre Leute ja auf irgendwas, aber das würde vermutlich einige Zeit dauern. Und so lange können wir die ganze Korona leider nicht auf Eis legen. Momentan sind wir an einem gewissen toten Punkt angelangt. Es sähe anders aus, wenn sie aktiv würden …»
    «Und wenn nicht? Soll ich dann Stedmans Pass einfach zurückschicken mit ein paar Begleitzeilen – tut mir Leid, ihm Ungelegenheiten gemacht zu haben, oder so?»
    «Ich dachte, wir könnten ihnen vielleicht einen kleinen Rippenstoß versetzen.»
    «Und wie stellen Sie sich das vor?»
    «Tja, nehmen wir mal an, wir üben etwas Druck auf das eine Ende der Kette aus. Das könnte doch eine Kettenreaktion auslösen. Bei der Ripescu geht’s nicht, die ist weg. Aber zum Beispiel bei Abdul. Zu der Gruppe gehört ein Mädchen namens Leila M’zsoumi. Wenn Ihre Leute sich die schnappen würden …»

39
    Als Rabbi Deutch, noch in Pyjama und Bademantel, zum Herd ging, um sich eine zweite Tasse Kaffee einzuschenken, sagte seine Frau, ihrerseits in Nachthemd und Morgenrock, besorgt: «Wär’s nicht besser, wenn du dich anziehst, Lieber? Du willst doch nicht zu spät zur Vorstandssitzung kommen.»
    «Ich geh nicht hin. Das war ihr Vorschlag. Ich schließe daraus, dass sie die Frage meines Hierbleibens erörtern wollen. Also nehme ich heute frei und lasse auch den Minjan ausfallen.»
    «Warum trinken wir dann nicht draußen auf der Veranda unseren Kaffee? Es ist so ein schöner, warmer Tag. Riech bloß mal – die Luft!» Sie öffnete die Verandatür und stand auf der Schwelle, die Kaffeetasse in der Hand.
    «Der Wind kommt von der Küste. Man kann das Meer riechen.»
    «Frühling in New England, Hugo – so hab ich ihn noch nie genossen.»
    «Darlington ist eben eine Fabrikstadt, und der Frühlingswind hat immer den ganzen Rauch und Schwefelgeruch mitgebracht – erinnerst du dich?»
    «Hm. Ich bin ja so froh, Hugo, dass wir bleiben. Ich hab schon befürchtet, du wirst in dem Fall überpenibel sein.»
    «Augenblick mal, Betty.» Er kam mit seiner Tasse und setzte sich draußen neben sie. «Ich habe meinen Standpunkt nicht geändert, sondern nur gesagt, ich wäre bereit zu bleiben, falls Rabbi Small beschließt, nicht zurückzukommen.»
    «Aber du hast doch gesagt …»
    «Die Sitzung heute? Bei der geht’s darum, ob sie mich haben wollen – falls Rabbi Small nicht zurückkommt.»
    «Heißt das, Drexler hat dir zu verstehen gegeben, sie wollen Small, und du bist nur die zweite Wahl?»
    Er trank einen Schluck Kaffee. «Nein. Mein Eindruck ist folgender: Wären wir beide gleichgestellte Kandidaten, dann würde ihre erste Wahl auf mich fallen. Aber es ist ja nun mal tatsächlich sein Job.»
    «Ist das ihre Meinung, Hugo, oder deine?»
    «Meine Meinung», erklärte er eigensinnig. «Ich nehme keinem Menschen seine Stellung weg.»
    Sie biss sich auf die Lippen, um ihrem Ärger nicht Luft zu machen. Sie wusste, wie ihr Mann auf Widerspruch reagierte, wenn er seine widerborstige Phase hatte. Dann hellte sich ihr Gesicht auf, und sie lächelte. «Es ist ein leichter Posten für dich, stimmt’s, Hugo?»
    «Der reine Urlaub. Ich hab darüber nachgedacht, warum es hier so viel angenehmer ist als in Darlington. Ich glaube, es ist wie so oft eine Geldfrage. Was sein Gehalt anbetrifft, hängt der Rabbi von der Gemeinde, das heißt, eigentlich vom Vorstand ab. Folglich können sie sich nicht von dem Gefühl frei machen, dass er ein bezahlter Angestellter ist. Da sie die Geldgeber sind, gibt ihnen das die Oberhand. Und es ist nur menschlich, dass man die Peitsche auch von Zeit zu Zeit schwingt, wenn man sie schon in der Hand hat. Bei mir aber wissen sie, dass ich eine Pension beziehe und auf ihr Gehalt nicht angewiesen bin. Das stellt mich natürlich auf eine etwas andere Stufe.»
    «Ich glaube nicht, dass es nur das ist. Meiner Meinung nach gehören sie zu einer netteren Sorte von Menschen als unsere Gemeindemitglieder in Darlington.»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein, da kann ich dir nicht zustimmen. Vielleicht sind die Leute hier finanziell ein bisschen besser gestellt, aber das Geld

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