Am Montag flog der Rabbi ab
Nicht dass ich was gegen Dr. Ben Ami hätte. Aber er ist eben nur ein Mann. Mit Mitgefühl und Verständnis, zugegeben. Trotzdem kann er sich nicht in die Seele einer Frau hineinversetzen. Welcher Mann kann das schon? Dafür braucht es eine Frau. Ich hab Abner ins Gesicht gesagt: ‹Wenn du willst, dass deine Frau gesund wird›, hab ich ihm gesagt, ‹dann musst du dir ’nen anderen Job suchen.› Und darauf ist ihm natürlich keine Antwort eingefallen.»
Das Telefon klingelte. Miriam ging an den Apparat. Dan Stedman rief an, um sie abends zum Dinner ins King David einzuladen.
«Oh, sehr gern, aber meine Tante Gittel aus Tel Aviv ist da und …»
«Bringen Sie sie doch mit.»
«Einen Augenblick bitte.» Sie hielt die Muschel zu. «Dan Stedman, ein Freund von uns. Wir sollen heute Abend zum Dinner ins King David kommen.»
«Geht ruhig. Ich kann zu Hause bleiben und auf Jonathan aufpassen.»
«Nein, er sagt, du sollst mitkommen.»
«Na, ich weiß nicht recht. Ich …»
«Er ist ein netter Kerl – und unverheiratet», sagte der Rabbi.
Gittel strafte ihn mit einem entrüsteten Blick.
«Von mir aus, was kann schon sein?»
Miriam sagte in den Hörer: «Abgemacht. Wir kommen alle. Gibt’s einen besonderen Anlass?»
«Nicht direkt, aber ich fahre bald in die Staaten zurück und …»
«Was Sie nicht sagen! Ist was passiert?»
«Das erzähl ich Ihnen alles, wenn wir uns sehen.»
42
Der stellvertretende Dekan der ausländischen Studenten legte die Fingerspitzen sorgfältig gegeneinander und nickte bedächtig, während Stedman redete. Er nahm ihm nichts von dem ab, was er sagte, nämlich dass sein Sohn Heimweh habe und nach Amerika zurückkehren wolle. Er hatte seine Erfahrungen mit den Eltern amerikanischer Studenten, die ihn aufsuchten, weil sie ihre Söhne oder Töchter von der Universität nehmen wollten. Gewöhnlich war der Grund, dass der Sprössling sich verliebt hatte und jemand heiraten wollte, den sie völlig unmöglich fanden. Das letzte Mal war es ein Mann gewesen, überzeugter Zionist sein Leben lang, der außer sich geraten war, weil seine Tochter beschlossen hatte, im Land zu bleiben und in einen Kibbuz zu gehen.
«Wer weiß schon, was erzieherisch ist, Mr. Stedman», sagte er beschwichtigend. «Studenten aus der ganzen Welt kommen hierher an unsere Universität, die meisten jedoch aus Amerika. Weil wir bessere Lehrer haben? Sie sind nicht besser als in Amerika oder anderen modernen Ländern. Was ziehen sie also für einen Nutzen daraus, wenn sie hier studieren? Nicht das, was sie in den Hörsälen mitbekommen, sondern was sie außerhalb vorfinden, das Leben hier, die Menschen – das hat erzieherischen Wert.»
Sobald ihm Mike Donahue versichert hatte, die Sache sei in Ordnung gebracht, war Stedman wieder nach Jerusalem gefahren, um Roys Rückkehr in die Staaten in die Wege zu leiten. Er hatte eine Nachricht von ihm vorgefunden, er sei ein paar Tage zu Besuch bei Freunden und werde ihn anrufen, sobald er wieder zu Hause sei. Da Dan die Angelegenheit unbedingt beschleunigen wollte, war er in die Universität gegangen, um festzustellen, was für Vorkehrungen zu treffen waren.
«Ich verstehe», sagte Dan, «aber in erster Linie interessiert mich, was ihm von seiner Studienzeit hier zu Hause angerechnet wird.»
Der Dekan lächelte und breitete die Hände aus. «Logischerweise können wir keine Kurse testieren, in denen Ihr Sohn keine Prüfungen abgelegt hat; aber wir sind sehr flexibel, was die Examina angeht. Der Student kann sich ihnen zu verschiedenen Zeiten im Jahr unterziehen. Wir müssen das so handhaben, da im Laufe des Jahres so viele zum Militärdienst einberufen werden, im Lehrkörper ebenso wie unter den Studenten.»
«Dann kann er also nichts mitnehmen, was bei der Graduierung in Rutgers verwendbar wäre?»
Der Dekan schüttelte langsam den Kopf.
«Dann hat er ein Jahr verloren, denn ich glaube nicht dass er von dem erzieherischen Wert außerhalb des Hörsaals profitiert hat, was Menschen und das Leben hier angeht. Er hat fast keine Freunde …»
«Tut mit Leid, das zu hören, Mr. Stedman. Sie klingen enttäuscht, und ich nehme an, das gibt die Gefühle Ihres Sohnes wieder. Es ist nicht einfach für einen Studenten, der von einem amerikanischen College kommt. Ich glaube, unsere Kurse sind etwas schwieriger, oder zumindest erfordern sie mehr Arbeit, aber daran liegt es nicht. Selbst die Sprachschwierigkeit ist nicht die Hauptursache für die Enttäuschung mancher unserer
Weitere Kostenlose Bücher