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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Menschen, wieviel klarer, wieviel unverschlüsselter und wahrhaftiger ihre Kommunikation, bei der es keinen Unterschied zwischen Gedanken und gesprochenem Wort gab?
    Vielleicht lag es daran, daß ihre ganze Redeweise etwas Schroffes hatte. Sie sagten genau das, was gesagt werden mußte, kein Wort mehr, es gab keine Umwege, keine Schnörkel und keine Halbwahrheiten. Auch in ihren Gedanken würde es sie nicht geben.
    Hinzu kam, daß ihre Sprache, vom Translater in die Sprache der Menschen übersetzt, jede Betonung verlor. Die von den elektronischen Übersetzern produzierte Sprache hatte etwas Maschinelles an sich. Sie war unpersönlich und bar jeder menschlichen Wärme. Und unpersönlich und ohne Wärme erschienen Karin auch die Mornen selbst, ihre Gesichter, die nie den Anflug eines Lächelns oder einer anderen Regung in ihrer Mimik zeigten, ihre äußerst sparsamen Gesten, die den Eindruck einer gewissen Starrheit erweckten, und immer wieder das lange Schweigen, wenn sie sich untereinander austauschten.
    Vielleicht würde das alles eines Tages anders werden, vielleicht würden die Menschen lernen, in den Gesichtern der Mornen zu lesen, würden begreifen, daß auch die Mimik und Gestik den Gesetzen der Rationalität unterliegt, aber noch war es nicht soweit. Die Menschen würden es schwer haben mit ihren neuen Freunden aus dem Kosmos.
     
    Vom Hotel bis zum Liegeplatz des Diskos am Fuße der Golden Gate Bridge lief man nur wenige Minuten. Karin Bachfeld und Wolfram Bracke legten den Weg bei strahlendem Sonnenschein zurück. Der mittägliche Verkehr war nicht übermäßig stark im Gegensatz zum Berufsverkehr morgens und abends, wenn die Menschen in ihre Büros, in die Werke oder zum Hafen oder von dort nach Hause fuhren. Dann waren die Straßen voll von Autos, die Bahnen überfüllt, und dann knarrte die alte Bergbahn, an unterirdischen Seilen gezogen, in allen Fugen und Runzeln. Wie Trauben hingen die Menschen an den Perrons.
    Die Mittagsstunde war eine der ruhigsten in San Francisco. Und doch hatte sich etwas geändert. Es dauerte einige Minuten, ehe Karin wußte, 
    was ihr anders als sonst vorkam. Schließlich merkte sie, daß es die bunten Plakate waren, die, an allen Fassaden und Mauern klebend, nicht in das ruhige Stadtbild passen wollten.
    Dunkel, mit weit geöffnetem Mund, der zwei Reihen blendendweißer Zähne sehen ließ, schrie das Gesicht Rod Mahoneys von jeder nur einigermaßen glatten Fläche auf sie herab. Hin und wieder sah sie auch das Bild des amtierenden Regionalmeisters im Schwergewicht, Lucky Jenkins, ein breites braungebranntes Gesicht eines Weißen mit flacher Nase und kleinen, aber hellwachen Augen. Besonders auffallend der breit in die abfallenden Schultern auslaufende Hals, der von einer explosiven Kraft zeugte. Im Gegensatz zu dem Bild Mahoneys, der trotz seiner abenteuerlichen Pose eine gewisse Sympathie erweckte, schockierte das Gesicht Jenkins' durch einen gewalttätigen Ausdruck.
    Bracke deutete mit dem Kinn auf zwei nebeneinander klebende Plakate, die den Unterschied noch deutlicher werden ließen. »Er wird es nicht leicht haben«, erklärte er. »Wenn er dem Jenkins in eine volle Rechte hineinläuft, dann hört er nicht einmal mehr den Ringrichter zählen. Er muß mächtig aufpassen, daß ihm das nicht passiert.«
    Karin Bachfeld schüttelte sich. »Was für ein roher Sport!« erklärte sie. »Nie würde ich mir eine derartige Veranstaltung ansehen. Und dabei ist Mahoney doch eigentlich ein netter Kerl.«
    Es schien ihr ein unüberbrückbarer Gegensatz in Rod Mahoney zu sein. Einmal war er ein junger Mann mit freundlichem Gesicht, mit dem man sich gut und anregend unterhalten konnte, und dann wieder ein Mann, der sich damit vergnügte, einen anderen vor allen Leuten zu verprügeln, wenn der andere nicht gerade stärker war und ihn verhaute.
    Sie hörte Bracke lachen. Natürlich, Bracke verstand ja etwas vom Boxen, hatte er gesagt. Er hatte eigentlich auch die Figur danach, kräftig, vielleicht ein wenig zu breit in den Schultern, aber auch heute noch, obwohl er bestimmt schon über die Mitte der Dreißig war, hatten seine Bewegungen eine verhaltene Kraft in sich, so daß sie fast anmutig wirkten.
    Karin schüttelte den Kopf. Blödsinnige Gedanken. Sie war wohl schon dabei, die Menschheit in Boxer und Nichtboxer zu unterteilen. 
    »Sie sollten sich tatsächlich den Kampf morgen ansehen«, sagte Bracke. »Vielleicht revidieren Sie Ihr Urteil über den Boxsport doch noch.«
    Sie

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