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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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war.
    »Aber Herr Bracke«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln, »wie kann man nur so einen ausgewachsenen Schnupfen haben.«
    Bracke verbeugte sich leicht vor ihr, ohne ihr die Hand zu reichen. Dann zuckte er die Schultern. »Das Klima auf der Erde bekommt mir nicht. Auf dem Mond haben wir eine gleichbleibende Temperatur und Bakterienabsorber. Dort gibt es keinen Schnupfen. Aber hier, auf dem alten Planeten.« Er winkte resigniert ab. »Den Medizinern ist immer noch nichts Vernünftiges gegen meinen Schnupfen eingefallen.« Er schneuzte sich lautstark.
    »Aber man kann sich dagegen impfen lassen, Herr Bracke.«
    »Kann man! Aber woher soll ich wissen, wann ich ihn bekomme? Und eine Spritze so ohne allen Grund.? Nein!«
    Karin blickte erstaunt. »Sie haben Angst vor einer kleinen Spritze? Sie? Wolfram Bracke, der Mann vom Mond?«
    Das Gespräch schien ihm unangenehm zu werden. Er lenkte ab. »Wir müssen heute unsere Gruppe übernehmen, Karin.«
    Sie nickte. Er hatte tatsächlich »Karin« gesagt. Ohne alle Formalitäten und ohne Vorbereitung. Sie beschloß, nicht dagegen zu protestieren, sondern Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Da sie in den nächsten Wochen ohnehin zusammenarbeiten mußten, sah sie nicht ein, warum man auf Förmlichkeiten bestehen sollte.
    »Warten Sie hier einen Augenblick auf mich«, bat sie. Noch konnte sie sich nicht entschließen, ihn mit dem Vornamen anzusprechen. »Ich ziehe mir nur etwas anderes über, dann werden wir zusammen essen gehen. Dabei können wir alles Wichtige für heute nachmittag besprechen.«
    Bracke nickte erfreut.
    Als Karin ihr Zimmer betrat, hatte Betty wieder ein Bein hervorgeschoben. Diesmal jedoch zupfte sie ihr die Decke nicht zurecht. Sie erwartete keinen Herrenbesuch mehr. Im Bad überlegte sie, was sie mit Bracke besprechen wollte. Sie hatte sich vorgenommen, zuerst die Pläne der Mornen abzuhören, bevor sie bestimmte Entschlüsse faßte. Sie mußte versuchen, die Vorstellungen der Mornen mit denen der Menschen zu koordinieren. Noch wußte sie nicht, ob diese Aufgabe schwer oder leicht werden würde.
    Sie beschlossen, gut und ausgiebig zu essen. Die Küche des Hotels war ausgezeichnet. Karin bestellte die nach französischer Art zubereiteten Meeresfrüchte, eine etwas irreführende Bezeichnung, und sie schmunzelte, als sich Bracke nach kurzem Zögern ihrer Bestellung anschloß. 
    Als der Kellner servierte, machte er erstaunte Augen. Karin wußte, wie es einem Uneingeweihten ging, der die großen silbernen Platten zum erstenmal sah. Auf einer Unterlage aus frischem Tang lagen die verschiedensten Meerestiere, teils lebend, teils zubereitet, aber alle sahen ungewöhnlich aus. Da waren die verschiedensten Arten von gekochten oder noch lebenden, fest geschlossenen Muscheln, Schnecken lebend und Schnecken gekocht, ein Kranz großer, nach Safran duftender Miesmuscheln, deren Fleisch gelb und fest war. Und das Ganze wurde gekrönt von einem kleinen hellroten Hummer, wie er an der amerikanischen Westküste im warmen Wasser des Pazifiks häufig vorkommt.
    Karin bemerkte, daß Bracke sie genau beobachtete, und er benahm sich durchaus nicht wie einer, der zum erstenmal diese Köstlichkeiten vorgesetzt bekommt.
    Nach wenigen Versuchen hantierte er mit dem kleinen häkelnadelartigen Besteck ebenso sicher wie sie selbst und zog eine Schnecke nach der anderen aus dem Gehäuse. Auch bei den Miesmuscheln stellte er sich weit weniger ungeschickt an, als sie es vermutet hatte. Er verwendete die Schalen der Tiere wie eine kleine Pinzette, um das hellgelbe Fleisch herauszulösen. Karin erinnerte sich, daß ihr gerade diese Art des Speisens an Lester Sullivan so gut gefallen hatte. Lester verstand das Leben auch in Kleinigkeiten zu genießen.
    Als die beiden Platten entfernt waren, gab es zu getoastetem Brot und einer Flasche schweren hellen Weines panierte Ringe aus einem fast weißen, sehr homogenen Fleisch. Sie beobachtete Bracke, der vorsichtig kostete und dann anerkennend den Kopf bewegte. »Ausgezeichnet zubereitet!« lobte er, und plötzlich kam ihr zum Bewußtsein, daß sie sich in ihm getäuscht hatte. Offensichtlich gab es auch auf dem Mond Leute, die den Freuden des guten Essens nicht abgeneigt waren.
    Bracke blickte sie an. In seinen Augenwinkeln saß ein feines Lächeln. »Wissen Sie eigentlich, Karin«, sagte er, »daß die Fischer in Südfrankreich beim Fangen der Kraken einen ganz bösen Trick anwenden?« Sie verneinte, nahm sich aber vor, ihn darauf zu

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