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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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unserer Gastgeber auch die unseren sein sollten, solange wir auf der Erde zu Gast sind.« Er trat zur Seite, um den anderen Gelegenheit zur Begrüßung zu geben, und reichte auch Bracke die Hand. Die Tatsache, daß er sich vor ihm nicht verbeugte, bewies Karin, daß die Mornen die Zeit gut genutzt hatten, um sich mit den Sitten und Gebräuchen der Menschen wenigstens annähernd vertraut zu machen.
    Sie sah schmunzelnd, daß Bracke die schmale Hand Bojans mit äußerster Vorsicht in seine Pranke nahm, wie etwas Zerbrechliches oder Wertvolles, und sie glaubte aus der Haltung des Mornen, die plötzlich alle Spannung verlor, Erleichterung lesen zu können. Das Gesicht hinter der transparenten Schutzfolie blieb jedoch weiterhin maskenhaft starr. Dann wandte sich Bojan an sie. »Wir haben es als unumgänglich erachtet«, teilte er mit, »die Leitung unserer Landegruppe zur Vermeidung bestimmter Schwächen oder gar Fehlentscheidungen einem Dreiergremium zu übertragen, das ihr hier vor euch seht. Dadurch wird es unter anderem leichter sein, eine Arbeitsteilung und eine Unterteilung in Spezialgebiete vorzunehmen. Das wird zu einer effektiveren Gestaltung unserer Arbeit beitragen.«
    Karin war mit diesem Hinweis nicht zufrieden. Sie war sicher, daß der Morne zwar nicht die Unwahrheit gesprochen hatte, aber die ganze Wahrheit war das, was er gesagt hatte, nicht. Vielleicht verschwieg er sogar das Wichtigste. Die Einteilung in Forschungsgruppen war bereits vorher beschlossen worden und war keine stichhaltige Begründung für die Veränderung der Leitung. Was aber war es dann? Noch antwortete sie nicht, wartete auf eine weitere Erklärung, aber Bojan schien es nicht für erforderlich zu halten, die Menschen in alle Gründe für diese gewiß schwerwiegende Entscheidung einzuweihen. 

    Karin fühlte sie wieder, die Schranke zwischen Menschen und Mornen, die Schranke, von der sie nicht wußte, wer sie errichtet hatte und wer für sie verantwortlich war.
    Sie stiegen den flachen Hang des Ufers hinauf. Eine Böschung, wie sie für Luftkissengleiter angelegt werden, damit sie das Wasser verlassen und an Land niedergehen können.
    Bracke ging den Mornen voran, und sie selbst bildete den Schluß der Gruppe. Einen Augenblick lang blieb sie stehen und betrachtete das Gebäude, in dessen Erdgeschoß unter Brackes Leitung das Kommunikationszentrum eingerichtet worden war.
    Da blieb auch Bojan stehen. Mit einer scheinbar unmißverständlichen Geste streckte er die Hand aus, als wolle er sie beim Aufstieg auf dem flachen Hang unterstützen. Ohne sich dessen bewußt zu werden, ergriff sie die dargebotene Hand und versuchte sich daran hinaufzuziehen. Sie wußte sofort, daß sie die Geste mißdeutet hatte, denn nicht sie gelangte den Hang hinauf, sondern Bojan wurde zu ihr herangezogen. Wahrscheinlich hatte er, um die Steigung leichter überwinden zu können, seinen Antigravgürtel eingeschaltet, wohl auf kleinste Leistung, aber doch so, daß er ihm das Gehen erleichterte.
    Zwar ließ sie die Hand sofort wieder los, glaubte aber doch eine Welle des Unmutes zu spüren, wenn auch der Morne äußerlich den Zwischenfall überhaupt nicht zu beachten schien. Sie fühlte sich unglücklich. Wieder ein Mißverständnis, das nicht zu sein brauchte.
    Der Raum, den sie betraten, war ausgezeichnet klimatisiert und ideal eingerichtet. In den wenigen Tagen, die ihnen zur Verfügung gestanden hatten, war von Wolfram Bracke und seinen Mitarbeitern eine Arbeit geleistet worden, die Anerkennung verdiente. Der Raum hatte eine automatische Simultananlage, die die Verständigung in allen Sprachen ermöglichte.
    Sie warf Bracke einen anerkennenden Blick zu, und der »Mondmann« antwortete mit einem verständnisinnigen Blinzeln. Es war gut, daß er die Verständigungsschwierigkeiten mit den Mornen viel leichter zu nehmen schien als sie.
    Die Aufstellung des Programms für die Arbeit der nächsten Tage wurde eine langwierige und nervenaufreibende Angelegenheit. Die Mornen hatten sich ausgerechnet für den Anfang eine Untersuchung der riesigen Waldgebiete um die Amazonasniederung vorgenommen, die Urwälder mit ihrer mächtigen Vegetation, ihrer fast unberührten Tierwelt und den letzten Stämmen der Waldindianer. Es befremdete Karin Bachfeld, daß die Mornen eine Vorliebe für diese noch nicht in die allgemeine Zivilisation integrierten Menschen zu haben schienen. Was bewog diese vergeistigten Wesen, sich ausgerechnet für das harte Leben der venezolanischen Indianer

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