Am Rande wohnen die Wilden
wieder ihre Gedanken aus. Die Wohn- und Aufenthaltsräume waren nicht eben groß, nach Art der mornischen Lebensverhältnisse handelte es sich um Gemeinschaftsräume mit abgeschlossenen Schlafnischen. Die Einrichtung erschien ihnen optimal und bequem und ließ dem einzelnen, obwohl er ständig in der Gemeinschaft lebte, seinen eigenen Bereich.
Besondere Aufmerksamkeit widmeten sie dem Herz des Raumers, der Zentrale, einem kreisrunden Raum ohne jedes überflüssige Mobilar. Sie enthielt lediglich einige Liege- und Sitzgelegenheiten. Hier sollte sich sozusagen der Geist vom Körper und seinen Einflüssen lösen, um sich ganz dem Gefühl für die Umgebung des Raumers widmen zu können. Eigentlich war die Zentrale ein gewaltiger Adapter, der die komplizierten Meßinstrumente auf der Außenhaut mit den Sinnen des Steuernden verband, um sie den Verhältnissen des Kosmos anzupassen.
Faunian ließ sich in einen der Blasluftsessel des Schwerefeldadapters fallen und fühlte, wie sich die Elektroden an seine Kopfhaut legten. Er wartete geduldig, bis sich das Gefühl des leichten Druckes im Schädel verflüchtigt hatte, bis sein Körper sich in nichts aufzulösen schien. Er genoß das Einswerden mit der Technik, fühlte, wie sich seine Sinne in den Sensoren des Schiffes fortsetzten. Sein eigenes Ich war nicht mehr vorhanden und hatte sich doch vertausendfacht. Die Automatik hatte sich auf ihn eingestimmt, auf dem Bildschirm vor ihm erschienen die schnell steigenden Linien der Schwerkraftquanten, die den Raumer in der Schwebe hielten.
Zufrieden schaltete er das Gravicont aus. Er hakte sich bei Cosita ein und stellte erst jetzt fest, daß sie allein waren. Er zog sie hinaus in den Gang, blickte sich nach Tekla und Bojan um und ließ sich dann zusammen mit Cosita durch den Tunnel zum Zentrum der Raumkugel tragen, um noch einen Blick auf die Schwerkraftemittoren zu werfen.
Lange standen sie vor den mehr als mannshohen Zylindern, die die Schwerkraftquanten der umgebenden Felder zu bremsen in der Lage waren und die Aufgabe hatten, das Schiff an sie anzuhängen, sich von ihnen hineinreißen zu lassen in den unendlichen Kosmos. Bojan und Tekla hatte er vergessen.
Als er den Maschinenraum verlassen wollte, bemerkte er, daß ihm Cosita nicht folgte. Sie lehnte an einem der Quantenzylinder und blickte ihn bewegungslos an. Eigentlich sah sie nicht ihn an, sondern einen imaginären Punkt, der weit hinter ihm lag, irgendwo in nebelhafter Ferne. Sie schaute gleichsam durch ihn hindurch. Er versuchte ihre Gedanken zu erhaschen und erstarrte.
»Wir werden ein Kind haben, Faunian!« sagte sie.
Er fühlte einen Stich in der Brust, dort wo das Herz heftiger zu schlagen begann. Mit einemmal war die Angst wieder da, die er zu vergessen gesucht hatte, seit er Cosita kannte. Er legte den Arm um ihre Schultern und mühte sich, sie seine Gedanken nicht spüren zu lassen, aber er war sicher, daß es ihm nicht gelang.
Vor diesem Augenblick, vor dieser Eröffnung hatte er sich gefürchtet von dem Moment an, da er wußte, daß sie ein Kind haben wollte, seit er sich darüber klargeworden war, daß nichts sie eines Besseren belehren konnte. Weder die in den letzten Generationen mitunter auftretenden Mißbildungen bei Neugeborenen noch die bevorstehende Expedition. Jetzt war es soweit. Cosita war schwanger.
Einmal, vor langer Zeit, hatte er ihr vorgeschlagen, den einfachsten Weg zu gehen und auf ein Kind zu verzichten — er würde es nie wieder versuchen. Unumwunden hatte sie ihm erklärt, daß sie sich unter derartigen Umständen von ihm trennen würde. Sie denke nicht daran, auf das Glück, sich Mutter zu fühlen, verzichten zu wollen. Was aber, wenn ihr Kind ein Krüppel sein würde? Seit Jahren wurden auf Morn hin und wieder Kinder geboren, deren Gliedmaßen den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen waren.
»Es wird kein Krüppel sein, Faunian. Es wird ein gesundes Kind werden, so gesund wie du und ich.«
Einen Moment lang hatte er die unsinnige Hoffnung, daß sie sich bereits Gewißheit über die genetischen Anlagen des beginnenden Lebens verschafft hatte, aber ihre Antwort beruhigte ihn nicht.
»Ich weiß es erst seit wenigen Tagen. Ich habe nicht mehr Gewißheit als du, aber ich hoffe, daß wir zu denen gehören, denen dieses harte Los erspart bleibt.«
Cosita verließ sich also auf die genetische Korrektur, auf jenen Zweig der Vererbungslehre, der in den vergangenen Jahrhunderten einen enormen Aufschwung erlebt hatte. Bereits
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